Der österreichische Skispringer Stefan Kraft
GEPA/Patrick Steiner
Vierschanzentournee

ÖSV-Adler hoffen auf Ende der Durststrecke

Österreichs Skispringer warten bei der Vierschanzentournee mittlerweile schon sehr lange auf einen Gesamtsieg oder zumindest einen Erfolg in einem Einzel-Bewerb. Den feierte zuletzt Stefan Kraft am 30. Dezember 2016 in Oberstdorf, also vor fünf Jahren. Zwei Jahre davor hatte er sich zum bisher letzten ÖSV-Gesamtsieger gekürt. Favoriten sind auch diesmal andere.

Dabei ist Ryoyu Kobayashi noch etwas höher einzustufen als Karl Geiger. Der Japaner ist hinter dem Deutschen zwar nur Zweiter des Weltcup-Zwischenstands, hat allerdings wegen eines positiven Coronavirus-Tests zwei Einzel-Bewerbe verpasst. Unmittelbar vor dieser Zwangspause hatte der 25-Jährige Ende November in Ruka gewonnen, an den vergangenen beiden Wochenenden legte er mit einem zweiten Platz und Erfolgen in Klingenthal und Engelberg aber schon wieder nach.

Und Kobayashi hat Erfahrung darin, wie man eine Tournee gewinnt, vor drei Jahren siegte er überlegen mit 62,1 Punkten Vorsprung. Geiger hingegen fehlt eine solche Erfahrung noch. Der 28-Jährige stand im jeweils ersten von zwei Bewerben in Nischnij Tagil und Engelberg ganz oben, punktete jedoch vor allem durch seine Konstanz. Abgesehen von Platz 22 in der zweiten Klingenthal-Konkurrenz war der Allgäuer nie schlechter als Fünfter. Der Lohn sind 98 Punkte Vorsprung im Weltcup.

70. Vierschanzentournee vor Start

Die 70. Vierschanzentournee hat mit den beiden Saisondominatoren Karl Geiger und Royu Kobayashi zwei erklärte Favoriten. Die ÖSV-Springer sehen sich heuer als gefährliche Außenseiter.

Geiger hat Tournee „schon lange auf der Agenda“

Letzte Saison war Geiger Oberstdorf-Sieger und Tournee-Gesamtzweiter. Er fühle sich dem Druck, der auf ihm laste, gewachsen, sagte der Deutsche am Montag bei einem Medientermin. „Die Tournee ist schon lange auf der Agenda von mir“, betonte er. Der Tiroler DSV-Bundestrainer Stefan Horngacher ist zuversichtlich: „Wir haben eine gute Voraussetzung, da das Team geschlossen sehr, sehr gut ist. Und daraus hat sich Karl herausgearbeitet.“

Der deutsche Skispringer Karl Geiger
GEPA/Wrofoto/Piotr Hawalej
Der im Weltcup führende Deutsche Geiger zeigt in dieser Saison bisher die stabilsten Leistungen

Diese Stabilität könnte beim am Mittwoch (16.30 Uhr, live in ORF1) in Oberstdorf beginnenden, am Neujahrstag in Garmisch-Partenkirchen und am 4. Jänner in Innsbruck fortzusetzenden sowie am Dreikönigstag in Bischofshofen zu Ende gehenden Klassiker den Unterschied ausmachen. Dieser Faktor fehlte den Österreichern im ersten Saisondrittel ein wenig, wenn sie auch durch Premierensieger Jan Hörl in Wisla und Kraft in Klingenthal zwei der vier nicht von Kobayashi und Geiger gewonnenen Events für sich entschieden.

Chefcoach Widhölzl sieht ÖSV-Team auf gutem Weg

„Wir sind ganz gut auf dem Weg, auch wenn wir sicher nicht die Topfavoriten sind“, sagte ÖSV-Chefcoach Andreas Widhölzl nach der Tournee-Generalprobe am 19. Dezember in Engelberg. Für die ersten beiden Bewerbe in Deutschland nominierte er neben Kraft und Hörl auch Philipp Aschenwald, Manuel Fettner, Daniel Huber, Daniel Tschofenig und Ulrich Wohlgenannt. Trainingstage vor Weihnachten auf dem Bergisel sollten die Sicherheit und Gewissheit geben, mit den Anwärtern auf den „Goldenen Adler“ mithalten zu können.

„Als Außenseiter-Favorit zähle ich mich sicher dazu“, meinte Kraft selbstbewusst. Der Salzburger kehrt mit guten Gedanken dorthin zurück, wo er im Februar und März einen vollen WM-Medaillensatz abgeräumt hatte. Der 28-Jährige holte Gold auf der Großschanze, Silber mit dem Männer- und Bronze mit dem Mixed-Team. Kraft kennt aber auch die Tücken der Schanze: „Es ist doch oft sehr schwierig in Oberstdorf. Es kann sehr windig sein, meistens schneit es, und es ist kein einfacher Wettkampf.“

Regenwahrscheinlichkeit heuer hoch

Bei einigen Plusgraden gibt es heuer aber eine hohe Regenwahrscheinlichkeit. „Ich bin jetzt nicht der Regenspezialist, wenn die Spur ein bisschen stoppt und nicht ganz so wegzieht“, erzählte Kraft. Zuletzt im zweiten Bewerb von Klingenthal habe er ein ähnliches Problem gehabt, womöglich für die Tournee aber doch daraus gelernt. Recht locker geht Krafts Zimmerkollege Huber mit dieser Thematik um.

Vorbereitungen auf Vierschanzentournee

Die 70. Ausgabe der Vierschanzentournee steht vor der Tür. Für die Springer wird es daher eine kurze Weihnachtspause. Stefan Kraft und Co. wollen diese jedenfalls bestens nutzen, um für die Tournee gerüstet zu sein.

Der 28-Jährige mag solche Bedingungen: „Es ist wie ‚Wir ziehen in die Schlacht‘. Wenn es die anderen vielleicht schon irgendwie anzipft, dann noch einmal das Schäuferl drauflegen und noch motivierter sein. Den Umständen, den Bedingungen, dem Wetter trotzen – das mag ich eigentlich ganz gerne.“ Er fühle sich grundsätzlich für die Tournee bereit, nur müsse er klaren und kühlen Kopf bewahren.

Hayböck letzter Österreicher auf dem Podest

Für ihn und seine Kollegen geht es darum, die Serie an nicht gewonnenen Tourneen nicht so lange werden zu lassen wie die Erfolgsserie davor. Von 2008/09 bis 20014/15 hatten Wolfgang Loitzl, Andreas Kofler, Thomas Morgenstern, zweimal Gregor Schlierenzauer, Thomas Diethart und Kraft in dieser Reihenfolge sieben ÖSV-Triumphe en suite eingefahren. In den jüngsten sechs Auflagen waren aber andere obenauf, seit Michael Hayböcks drittem Rang 2016 gab es keinen ÖSV-Podestplatz.

Dabei waren in den vergangenen fünf Jahren mit Ausnahme der Kobayashi-Gala die Polen nicht zu biegen. Kamil Stoch machte 2016/17 den Anfang, legte im Jahr darauf mit dem Gewinn aller vier Tournee-Bewerbe eindrucksvoll nach und feierte heuer am 6. Jänner seinen dritten Tournee-Triumph. Damit hat der schon 34-Jährige nur noch den Finnen Janne Ahonen (5) und den Deutschen Jens Weißflog (4) vor sich. Vor zwei Jahren stand Stochs Landsmann Dawid Kubacki auf dem obersten Treppchen.

Polen sind Tournee-Spezialisten

Mit sieben Tagessiegen hat Olympiasieger Stoch in den nächsten 14 Tagen die Chance, das bisherige Maximum von zehn des Norwegers Björn Wirkola und von Weißflog zu erreichen oder zu übertreffen. Zu mehr als einem dritten Platz sowie Gesamtrang elf reichte es Stoch in diesem Weltcup-Winter noch nicht. Dass sich er und seine Teamkollegen zu Tournee-Spezialisten entwickelt haben, zeigt aber auch der Endstand des Vorjahres mit Kubacki, Piotr Zyla und Andrzej Stekala als Drittem, Fünftem und Sechstem.

Wie die vorherige steht die Jubiläumsauflage der Tournee im Coronavirus-Schatten. Tests, Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen für Athleten und Betreuer sind allgegenwärtig. Zuschauer bei den Bewerben in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen sind nicht erlaubt. Das Preisgeld wurde angehoben, für den Gesamtsieg gibt es nun 100.000 Franken (ca. 96.000 Euro).

Alle Gesamtsieger

1953 Sepp Bradl AUT
1953/54 Olav Björnstad NOR
1954/55 Hemmo Silvenoinen FIN
1955/56 Nikolai Kamenski URS
1956/57 Pentti Uotinen FIN
1957/58 Helmut Recknagel DDR
1958/59 Helmut Recknagel DDR
1959/60 Max Bolkart GER
1960/61 Helmut Recknagel DDR
1961/62 Eino Kirjonen FIN
1962/63 Toralf Engan NOR
1963/64 Veikko Kankkonen FIN
1964/65 Torgeir Brandtzäg NOR
1965/66 Veikko Kankkonen FIN
1966/67 Björn Wirkola NOR
1967/68 Björn Wirkola NOR
1968/69 Björn Wirkola NOR
1969/70 Horst Queck DDR
1970/71 Jiri Raska CSR
1971/72 Ingolf Mork NOR
1972/73 Rainer Schmidt DDR
1973/74 Hans-Georg Aschenbach DDR
1974/75 Willi Pürstl AUT
1975/76 Jochen Danneberg DDR
1976/77 Jochen Danneberg DDR
1977/78 Kari Yliantilla FIN
1978/79 Pentti Kokkonen FIN
1979/80 Hubert Neuper AUT
1980/81 Hubert Neuper AUT
1981/82 Manfred Deckert DDR
1982/83 Matti Nykänen FIN
1983/84 Jens Weißflog DDR
1984/85 Jens Weißflog DDR
1985/86 Ernst Vettori AUT
1986/87 Ernst Vettori AUT
1987/88 Matti Nykänen FIN
1988/89 Risto Laakonen FIN
1989/90 Dieter Thoma GER
1990/91 Jens Weißflog GER
1991/92 Toni Nieminen FIN
1992/93 Andreas Goldberger AUT
1993/94 Espen Bredesen NOR
1994/95 Andreas Goldberger AUT
1995/96 Jens Weißflog GER
1996/97 Primoz Peterka SLO
1997/98 Kazuyoshi Funaki JPN
1998/99 Janne Ahonen FIN
1999/00 Andreas Widhölzl AUT
2000/01 Adam Malysz POL
2001/02 Sven Hannawald GER
2002/03 Janne Ahonen FIN
2003/04 Sigurd Pettersen NOR
2004/05 Janne Ahonen FIN
2005/06 Janne Ahonen FIN
Jakub Janda CZE
2006/07 Anders Jacobsen NOR
2007/08 Janne Ahonen FIN
2008/09 Wolfgang Loitzl AUT
2009/10 Andreas Kofler AUT
2010/11 Thomas Morgenstern AUT
2011/12 Gregor Schlierenzauer AUT
2012/13 Gregor Schlierenzauer AUT
2013/14 Thomas Diethart AUT
2014/15 Stefan Kraft AUT
2015/16 Peter Prevc SLO
2016/17 Kamil Stoch POL
2017/18 Kamil Stoch POL
2018/19 Ryoyu Kobayashi JPN
2019/20 Dawid Kubacki POL
2020/21 Kamil Stoch POL
2021/22 Ryoyu Kobayashi JPN
2022/23 Halvor Egner Granerud NOR
2023/24 Ryoyu Kobayashi JPN

Meiste Gesamtsiege

5 Ahonen
4 Weißflog
3 Kobayashi, Stoch, Wirkola, Recknagel
2 Schlierenzauer, Goldberger, Nykänen, Vettori, Neuper, Danneberg, Kankkonen

Meiste Tagessiege

10 Weißflog, Wirkola
9 Schlierenzauer, Ahonen
8 Kobayashi
7 Stoch, Nykänen
6 Hannawald, Recknagel
5 Morgenstern, Goldberger, Funaki

Länder mit den meisten Gesamtsiegen

16 Österreich (zuletzt Kraft 2014/15)
Finnland (Ahonen 2007/08)
Deutschland * (Hannawald 2001/02)
11 Norwegen (Granerud 2022/23)
5 Polen (Stoch 2020/21)
4 Japan (Kobayashi 2023/24)
* davon 11 DDR