Ski alpin

Kriechmayr-Triumph auf dem Lauberhorn

Vincent Kriechmayr hat sich am Samstag zum Sieger bei der klassischen Abfahrt auf dem Lauberhorn gekrönt. Der 30-jährige Oberösterreicher setzte sich in Wengen mit einem Vorsprung von 0,34 Sekunden auf den Schweizer Lokalmatador Beat Feuz durch und feierte damit nach 2019 seinen zweiten Sieg bei der längsten Weltcup-Abfahrt. Möglich machte den Triumph des Österreichers, der nach seiner CoV-Infektion beide Trainings verpasst hatte, erst eine am Donnerstagabend von der FIS erteilte Ausnahmegenehmigung und ein Training am Freitag, bei dem er nur aus dem Starthaus rausfuhr.

„Natürlich war es nicht fein, wenn man in Quarantäne muss. Es ist für alle eine schwierige Situation, und ich bin dankbar, dass ich starten durfte. Dass es so aufgeht, damit habe ich nicht gerechnet“, sagte Kriechmayr im ORF-Interview. „Jeder Athlet hat meine Situation verstanden und gesagt, dass es ihn ja auch treffen könnte. Es freut mich natürlich, dass die FIS eine Ausnahme gemacht hat und eine mutige Entscheidung getroffen hat. Es kann natürlich sein, dass es mit einem prominenten Namen leichter ist, aber trotzdem ist es gut, dass man jetzt auf die Athleten geschaut hat und es für alle gilt. Es ist eine außergewöhnliche Situation und es braucht solche Entscheidungen.“

Auf Platz drei landete mit einem Rückstand von 0,44 Sekunden der Südtiroler Dominik Paris. Vierter wurde der Schweizer Gesamtweltcup-Führende Marco Odermatt (+0,46). Matthias Mayer verpasste das Podest nur um 0,51 Sekunden und wurde am Ende Fünfter. Aleksander Aamodt Kilde, der am Freitag die verkürzte Abfahrt gewonnen hatte, belegte diesmal hinter dem slowenischen Überraschungsmann Martin Cater (+0,66) nur Rang sieben (+0,98). Der Schweizer Carlo Janka schied in seinem letzten Rennen aus.

Skifahrer Vincent Kriechmayr
APA/AFP/Marco Bertorello
Vincent Kriechmayr schwang im Ziel als Führender ab und wurde auch nicht mehr von der Spitzenposition verdrängt

Die ÖSV-Abfahrer präsentierten sich mannschaftlich stark und brachten insgesamt sechs Läufer in die Top 16. Otmar Striedinger belegte den neunten Rang (+1,67). Dahinter folgten seine Landsleute Max Franz als Zehnter (+1,77) und Daniel Hemetsberger als Elfter (+1,80). Daniel Danklmaier wurde 16. (2,19), Christian Walder 26. (+3,22). Im Abfahrtsweltcup führt nach sechs Rennen Paris mit 316 Punkten. Vor Kitzbühel liegt im Kampf um die kleine Kristallkugel alles eng beisammen. Kilde (305), Feuz (305), Mayer (302), Kriechmayr (285) und Odermatt (276) lauern dahinter.

1. Vincent Kriechmayr (AUT)
2. Beat Feuz (SUI)
3. Dominik Paris (ITA)

Nach Aufholjagd zur Bestzeit

Nach zwei Trainings, einem Super-G und einer verkürzten Abfahrt wurde der klassische Ritt über das Lauberhorn zur echten Kraftfrage. Im Vergleich zu Freitag bekamen die Oberschenkel der Athleten noch einmal 45 zusätzliche Sekunden aufgebrannt. Jeder Abfahrer kam nach den 4,5 Kilometer völlig ausgepumpt ins Ziel. Mayer, Feuz und Paris waren nach ihren Fahrten mit Hundschopf, Kernen-S, Minsch-Kante, Canadian Corner, Langentrejen, Haneggschuss und Ziel-S nicht wirklich zufrieden. Die Topstars streuten den einen oder anderen Fehler ein.

Vor der Fahrt von Kriechmayr lag der dreifache Wengen-Sieger Feuz 0,10 Sekunden vor Paris in Führung. Der Oberösterreicher schien die Bestzeit des 34-jährigen Schweizers zunächst nicht zu gefährden. Bei der ersten Zwischenzeit hatte er 0,52 Sekunden Rückstand. Danach setzte Kriechmayr aber zur Aufholjagd an. Nach dem Kernen-S, das er mit einem Schneepflug anfuhr, hatte Kriechmayr 0,01 Sekunden Vorsprung. Diesen baute der 30-Jährige aus und erreichte die Ziellinie umgerechnet zehn Meter früher als Feuz.

Vor- und Nachteil für Kriechmayr

Für den ÖSV war es der 18. Abfahrtssieg in Wengen. Verfolger Schweiz hält bei zwölf, wobei Feuz einmal mehr zeigte, dass ihm das Lauberhorn liegt. Der 34-Jährige war aber wie alle anderen fix und fertig. „Wenn man die Läufer im Ziel anschaut, war es bei jedem eine körperliche Überbelastung. Wenn ich stehe, geht es. Wenn ich Stufen steigen muss, spüre ich sie“, sagte Feuz, der zum Sieg von Kriechmayr meinte: „Er hatte zwei Trainings weniger. Er hatte den Vorteil von mehr Kraft und den Nachteil von keiner richtigen Vorbereitung. Da gibt es nicht viele, die dann gewinnen können.“

Beat Feuz belegt zweiten Platz

Wie schon am Vortag landete der Schweizer auf dem Podest, dieses Mal auf dem zweiten Platz.

Für den Doppelweltmeister von Cortina d’Ampezzo war es rechtzeitig vor Kitzbühel der erste Saisonsieg, der vierte Abfahrtssieg und der insgesamt zehnte im Weltcup. „Ich wollte schon gestern (Rang zwölf, Anm.) mehr zeigen, auch wenn ich keinen Trainingslauf hatte. In den letzten Rennen haben der Aleks (Kilde, Anm.) und der Odi (Odermatt, Anm.) gezeigt, dass man vollkommen am Limit sein muss. Wenn man dann so wie ich ein paar Passagen nur mit 95 Prozent fährt und die Entschlossenheit fehlt, funktioniert es nicht. Heute habe ich versucht, mein Herz in die Hand zu nehmen und alles zu geben, was ich draufhabe“, sagte Kriechmayr.

Mayer hadert mit zwei Fehlern

Mayer muss unterdessen weiter auf seinen ersten Speed-Sieg in Wengen warten. Der 31-jährige Kärntner hatte zwar 2020 die Kombination auf dem Lauberhorn gewonnen, in der Abfahrt wurde er einmal Dritter (2018). „Laut Zwischenzeiten habe ich schon oben zwei Zehntel auf den Vinc (Kriechmayr, Anm.) verloren. Ich glaub, schon in der Startkurve war ich bisschen weit weg. Die Zielkurve ist mir auch wieder nicht geglückt, da hab ich wieder drei Zehntel bekommen. Mit den restlichen Abschnitten kann ich zufrieden sein“, bilanzierte Mayer.

Striedinger war mit seinem neunten Rang nicht unglücklich. Der 30-jährige Kärntner war aber auch froh, die Strapaze hinter sich zu haben. „Es war sehr anstrengend, heute haben die Oberschenkel schon ordentlich gebrannt“, sagte Striedinger. „Wenn man dann aber das Wetter und die Fans sieht, da beißt man gerne auf die Zähne. Es war der eine oder andere Fehler dabei, auch das Ziel-S hab ich nicht optimal erwischt. Im Großen und Ganzen kann ich zufrieden sein.“