ÖFB

Wie Rangnick an Bord geholt wurde

Seit Freitag ist das Gerücht zur Gewissheit geworden: Ralf Rangnick soll Österreichs Fußballer in eine goldene Zukunft führen. „Wir sind alle davon überzeugt, dass er der ideale Mann ist“, freute sich ÖFB-Präsident Gerhard Milletich, nachdem die Verpflichtung des 63-jährigen Deutschen vom Präsidium einstimmig abgesegnet worden war. Dabei war Rangnick laut Sportdirektor Peter Schöttel für ihn eher unerwartet zur heißesten Aktie für den vakanten Posten des Teamchefs geworden.

Denn am 6. April hatte der Österreichische Fußballbund (ÖFB) ein im „Kurier“ kolportiertes Treffen zwischen Schöttel und dem Noch-Trainer von Manchester United Rangnick dementiert. Eine Version, zu der der ÖFB-Sportdirektor auch am Freitag noch stand. „Es hat damals kein Treffen gegeben, auch keine Verhandlungen“, so der ehemalige Verteidiger, der zu Beginn vor allem Gespräche mit österreichischen Kandidaten wie Peter Stöger oder Andreas Herzog geführt hatte.

Nach Erstellung einer Shortlist mit fünf Kandidaten habe sich aber dann doch auch „die Möglichkeit mit Rangnick aufgetan“. Gleich der erste telefonische Kontakt mit dem Deutschen, zwar laut Schöttel „ohne zu glauben, dass das wahnsinnig interessant sein könnte für ihn“, habe schließlich den Stein ins Rollen gebracht. Denn von Desinteresse war beim ehemaligen Salzburger Spordirektor Rangnick nichts zu bemerken: „Da habe ich mich getäuscht“, so Schöttel, dem vom aktuellen Spordirektor der „Bullen“ Christoph Freund mit Rangnicks Handynummer ausgeholfen wurde.

Rangnick wird neuer Teamchef

Der Nachfolger von Franco Foda als Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft der Männer heißt Ralf Rangnick. Der Deutsche wurde am Freitag auf Vorschlag von Sportdirektor Peter Schöttel und ÖFB-Präsidenten Gerhard Milletich vom neunköpfigen ÖFB-Präsidium einstimmig gekürt. Der 63-Jährige erhielt vorerst einen Vertrag über zwei Jahre, der sich aber im Erfolgsfall verlängert.

Nach etlichen, immer spannenderen Gesprächen habe er auch sein Credo von der heimischen Lösung („Alle wissen, dass ich immer gesagt habe, es ist Zeit für einen österreichischen Teamchef“) letztlich über Bord geworfen, so Schöttel. Noch mehr, als es sich abzeichnete, dass der Coach auch leistbar sei: „Als absehbar war, dass wir das große wirtschaftliche Thema packen können, ist es sehr konkret geworden.“ Davor habe ihn auch eine Fehleinschätzung zögern lassen, so Schöttel: „Am Anfang war es für mich undenkbar, einen Trainer mit so einer Reputation zum ÖFB zu bringen.“

„Ein riesiges Signal“

Am Ende war es auch nicht das Geld, sondern der sportliche Anreiz, mit dem ÖFB-Team etwas zu bewegen, der Rangnick wieder zurück nach Österreich brachte. Speziell die Aussicht auf eine Teilnahme an der Europameisterschaft in Deutschland in zwei Jahren ist für Rangnick interessant, so Schöttel. Auch deshalb habe man in finanziellen Angelegenheiten zueinander gefunden: „Wenn man den Trainer von Manchester United verpflichten kann, ist es klar, dass man das nicht mit Geld machen kann, dass man das atmosphärisch machen muss.“

Die Verpflichtung des renommierten Deutschen sei jedenfalls „ein riesiges Signal nicht nur für die Nationalmannschaft, sondern für den gesamten österreichischen Fußball. Es ist ein Zeichen, dass wir mutige Entscheidungen treffen. Das ist eine große Sache, über die wir uns alle freuen sollten“, sagte Schöttel. Die Ziele für die nächsten Jahre sind laut dem 55-Jährigen einfach definiert. „Über allem steht, dass wir uns für Endrunden qualifizieren. Wir wollen bei der EM in Deutschland und endlich wieder bei der WM dabei sein und dort auch eine gute Rolle spielen“, erklärte Schöttel. Er sei überzeugt, dass Rangnick „der richtige Trainer zum richtigen Zeitpunkt“ sei.

Inwieweit der Einfluss des Deutschen im ÖFB über den Bereich des A-Team hinausreichen wird, ist laut Schöttel noch nicht abschätzbar. „Ich will natürlich, dass er sich alles anschaut. Jetzt schauen wir einmal, dass wir den ersten Lehrgang gut bestreiten, aber in Zukunft wäre ich dumm, wenn ich auf seine Expertise verzichten würde.“ Ob die Nationalmannschaft nun ganz auf Red-Bull-Pressing getrimmt wird und sich dadurch Änderungen an der Kaderzusammenstellung ergeben werden, ließ der Sportdirektor ebenfalls offen. „Grundsätzlich sollen die Besten auf dem Platz sein.“

Nicht teurer als Koller

Einen echten Vertrag hat Rangnick, dessen Debüt am 3. Juni im Rahmen der Nations League auswärts bei Vizeweltmeister Kroatien erfolgen wird, mit dem ÖFB zwar noch nicht, zur gegenseitigen Absicherung gibt es aber einen vierseitigen Vorvertrag. ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold bezeichnete die Vereinbarung als „für alle Seiten gut und ausgewogen“, man strebe eine „mittel- und langfristige Zusammenarbeit“ an.

Bernhard Neuhold, Peter Schoettel und Gerhard Milletich (OEFB)
GEPA/David Bitzan
Neuhold (l.), Schöttel (Mi.) und ihr Chef Milletich präsentierten die Vorzüge des neuen Teamchefs

Die aktuelle Vereinbarung beinhalte „klare, schriftlich fixierte Parameter, die als Basis dienen, den Vertrag schriftlich auszuformulieren“, betonte Neuhold und ergänzte, der ÖFB bestehe bei Rangnick nicht auf einen fixen Wohnsitz in Österreich. „Ob er in einer Wohnung oder in einem Hotel wohnen wird, ist noch nicht besprochen. Es muss aber einen ständigen Austausch in Wien geben“, so Neuhold.

Laut den Angaben des ÖFB-Geschäftsführers ist Rangnick nicht teurer, als es Marcel Koller war. Der Schweizer hatte als Teamchef insgesamt zweimal verlängert, vor allem sein letzter Vertrag soll äußerst lukrativ gewesen sein. Nun wolle man „die Euphorie nützen, um Begeisterung bei den Fans auslösen zu können“, sagte Neuhold. „Wir hoffen auf eine Aufbruchsstimmung, die nicht nur aufs Nationalteam beschränkt sein wird. Eine Person mit der Strahlkraft von Rangnick könnte in der Lage sein, auch abseits vom Nationalteam positive Impulse zu bewirken.“

Umstrittener „Tanz auf zwei Hochzeiten“

Apropos Impulse: Die soll Rangnick trotz seiner Tätigkeit als ÖFB-Teamchef auch weiterhin als Berater bei Manchester United setzen, wo er noch bis Ende Mai als Interimscoach tätig ist. Rangnicks Anschlussvertrag mit dem englischen Rekordmeister und der sprichwörtliche „Tanz auf zwei Hochzeiten“ sei aber für den ÖFB nach „eingehender Diskussion kein Hinderungsgrund“ gewesen. „Es war sogar ein Baustein, dass es möglich war, die Zusammenarbeit zu realisieren“, meinte Neuhold in Anspielung auf den finanziellen Aspekt. Maximal sechs Tage im Monat soll sich Rangnick laut ÖFB seinem Job bei den „Red Devils“ widmen.

Kritik an der Doppelfunktion des Deutschen gab es allerdings aus England in Form von Gary Neville. „Der Sportdirektor oder Berater von Manchester United kann sich wirklich Woche für Woche österreichische Spieler anschauen? Und sie dann für die Nationalmannschaft auswählen?“, fragte sich die ManUnited-Legende in seinem Podcast, „das österreichische Nationalteam hat Stolz, ein großartiges Land und einige großartige Spieler, also muss er die ganze Woche über Spieler beobachten, dann wird er sie im September, Oktober, November und März zwei Wochen lang trainieren. Was passiert dann mit seiner Arbeit für United? Wo ist die Priorität? Da gibt es einen Konflikt.“

Neville bezeichnete die aktuelle Konstellation als „chaotisch“ und verwies auf die großen sportlichen Probleme des englischen Rekordmeisters. „Manchester United kann es sich im Moment nicht leisten, Ablenkungen und einen schlechten Kommunikationsplan zu haben rund um die Idee, dass Ralf Rangnick unser Berater ist, aber dreimal im Monat deutschen Fußball schaut und zweimal im Monat das österreichische Nationalteam coacht“, kritisierte der 47-Jährige.