„Als wir hier angekommen sind, ist ein richtig cooles Gefühl in mir aufgestiegen“, berichtete Fuhrmann am Dienstag bei der Abschlusspressekonferenz, kurz nachdem sie das ehrwürdige Stadion betreten hatte. „Es ist ein absolutes Privileg, dieses Eröffnungsspiel zu bestreiten, ein einmaliges Erlebnis, wir haben hart gearbeitet, jetzt überwiegt die Vorfreude auf das Spiel“, betonte die 41-Jährige, die ihr Team auch mit der Unterstützung der Sportpsychologin Mirjam Wolf auf die Rekordkulisse im ausverkauften Old Trafford vorbereitete.
Kapitänin Viktoria Schnaderbeck erging es bei der Ankunft ähnlich. „Man kriegt dieses magische Gefühl, wenn man auf diesen Rasen tritt. Das Stadion ist extrem cool.“ Die Stimmung im Team sei gut. Das sah man auch bei der letzten Einheit vor dem Spiel, wo die Spielerinnen gute Stimmung versprühten – das monatelange Hinfiebern spitzt sich aber zu. „Man merkt, dass es zum Spiel hingeht, die Anspannung steigt“, so Schnaderbeck, die sich nach Knieproblemen fit meldete.
Österreich fordert England im Eröffnungsspiel heraus
Auch wenn Österreichs Frauen-Nationalteam am Mittwoch im EM-Eröffnungsspiel gegen Gastgeber England klarer Außenseiter ist: Mit einer starken kollektiven Leistung will die ÖFB-Auswahl den Titelanwärter in die Knie zwingen.
Seit der Auslosung im vergangenen Oktober brennt das ÖFB-Team auf dieses Highlightspiel. „Was Besseres hätte uns nicht passieren können. Das Eröffnungsspiel ist ein Traumlos“, meinte Mittelfeldmotorin Sarah Zadrazil. Fuhrmann weiß: „Zumindest der gesamte Frauen-Fußball aus Europa wird zuschauen.“ Neben vielen Familienmitgliedern werden sich 1.500 Fans aus Österreich das Spiel in der legendären Heimstätte von Manchester United nicht entgehen lassen, wie die ÖFB-Spitze um Präsident Gerhard Milletich werden Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler sowie Frauenministerin Susanne Raab auch dabei sein.
Gastspiel im Old Trafford sorgt für Gänsehaut
Im ÖFB-Team kennt die Vorfreude auf die Partie keine Grenzen. „Wenn ich nur daran denke, bekomme ich Gänsehaut. Welchen Weg wir gegangen sind – und dann spielen wir im Old Trafford gegen England. Wenn du da nicht motiviert bist, weiß ich nicht mehr“, meinte etwa England-Legionärin Manuela Zinsberger im Gespräch mit ORF.at.
Für Schnaderbeck handelt es sich um ein absolutes Karrierehighlight. „Ich würde lügen, wenn es nicht so ist. Es ist die Gesamtkonstellation. Auftaktspiel, gegen England, im Old Trafford, ausverkauftes Haus. Das ist einfach sehr besonders und will man ganz einfach miterleben.“ So geht es auch Linksverteidigerin Verena Hanshaw, die mit einem Engländer verheiratet ist: „Ich freue mich total drauf. Es wird ein einzigartiger Moment, bei dem man jede Sekunde genießen soll.“
„Stadion mit so großer Tradition“
Teamstürmerin Nicole Billa bringt die Bedeutung dieses Spiels auf den Punkt. „Das wird für uns alle ein persönliches Highlight. Ich glaube, niemand von uns wird so schnell wieder vor so einer riesigen Kulisse spielen, in einem Stadion mit einer so großen Tradition.“ Die Arena ist im Mutterland des Fußballs nach Wembley und Twickenham die drittgrößte ihrer Art, seit 1910 tragen die „Red Devils“ ihre Heimspiele in (Old) Trafford, so lautet der namensgebende Stadtteil, aus.
Fußball-EM, Gruppe A
Beginn 21.00 Uhr (live in ORF1)
England – Österreich
Old Trafford Stadium, SR Huerta De Aza/ESP
Mögliche Aufstellungen:
England: Earps – Daly, Bright, Greenwood, Stokes – Williamson, Walsh – Mead, Kirby, Hemp – England
Österreich: Zinsberger – Wienroither, Schnaderbeck, Georgieva, Wenninger, Hanshaw – Dunst, Zadrazil, Puntigam, Naschenweng – Billa
Den Spitznamen „Theatre of Dreams“ hat es der Spielerlegende Sir Bobby Charlton zu verdanken. Rund um das Stadion erinnern Statuen und Denkmäler an die bewegte Geschichte des Clubs, die „Munich Clock“ am East Stand etwa an das Flugzeugunglück vom 6. Februar 1958, bei dem acht United-Spieler in München starben. Vor der Arena steht die „United-Trinity“ („United-Dreifaltigkeit“, Anm.) bestehend aus den früheren Spielern Charlton, George Best und Denis Law.
Highlightspiel bringt neue Herausforderungen
Österreichs Team ist aber nicht zum Sightseeing nach Manchester gereist, vielmehr soll eine gute Leistung für einen guten Start in die zweite EM-Endrunde nach 2017 sorgen. „Wir wollen das genießen, dafür muss die Leistung stimmen. Für uns gilt es, auf alles so gut wie möglich eingestellt zu sein, wir sollten uns nicht zu sehr vom Ambiente ablenken lassen“, erklärte Fuhrmann vorab. Zumindest Billa wird sich von der Zuschauermasse nicht beeindrucken lassen. „Ich bin sehr selten bis nie nervös. Das war schon immer so“, meinte die Tirolerin.
Ob das allen so geht, wird sich weisen. „Die eine kann damit locker umgehen, die andere muss sich länger darauf einstellen“, so Zinsberger, die auf Mentaltrainerin Wolf verweist. „Wir haben die Partie vorab mit ihr visualisiert und analysiert.“ Als Schlussfrau muss sich die 26-Jährige auf eine andere Kommunikation einstellen. „Ich weiß, dass es laut sein wird, also für mich wird wichtig sein, wie ich vor 75.000 Zuschauern kommuniziere. Es gilt auch mehr, auf sich selbst zu vertrauen.“
ÖFB-Team will im Auftaktspiel „begeistern“
Sportlich gehen die Österreicherinnen als klarer Außenseiter in die Partie, bisher hat man alle sieben Spiele gegen die „Lionesses“ verloren. Selbige haben sich unter Sarina Wiegman, die die Niederlande 2017 zum Heimtriumph geführt hat und den Coup wiederholen soll, warmgeschossen. England ist seit 14 Spielen ungeschlagen, erzielte dabei 84 Tore bei nur drei Gegentoren. Kurzum: Alles andere als ein Sieg der Gastgeberinnen wäre eine Sensation.
Österreich hatte sich allerdings im bisher letzten Duell im Herbst in Sunderland teuer verkauft und in der WM-Qualifikation „nur“ mit 0:1 verloren. „Wir wollen die vielen Zuschauer begeistern, das ist das, was wir uns vornehmen. Wir glauben an uns“, meinte Hanshaw.
Je länger die Null steht, desto nervöser könnten auch die Gastgeberinnen werden. „Wenn du in deinem eigenen Land eine Europameisterschaft austrägst, so eine individuelle Klasse hast und nach langer Zeit wieder einen Titel einfahren willst, dann machst du dir automatisch selber Druck“, weiß Zinsberger, die bei Arsenal mit einigen englischen Teamspielerinnen zu tun hat („Da rennt schon auch der Schmäh“). „Alles ausblenden zu können und zu liefern wird nicht so einfach sein. Als Topspielerinnen kennen sie allerdings auch diese Drucksituationen.“
Statistik sorgt für zusätzliche Motivation
Nicht dass es zusätzlicher Motivation bedarf, aber ein Blick auf die Statistik könnte dafür sorgen: Erst einmal hat ein österreichisches Team Old Trafford erfolgreich verlassen. Im Herbst 1984 gewann Rapid – allerdings nicht gegen ManUnited, sondern das Wiederholungsspiel im Cup der Pokalsieger gegen Celtic Glasgow dank eines Treffers von Peter Pacult 1:0 – und zog später auch ins Finale ein. Sechsmal wurde ansonsten versucht zu punkten, sechsmal ging es schief, zuletzt scheiterte der heimische Bundesligist LASK im Europa-League-Achtelfinale 2020 mit einem knappen 1:2.
Aber egal, wie das Karrierehighlight vom Ergebnis her ausgehen wird, die Aufstiegsfrage sollte sich im Normalfall erst in den beiden Partien gegen EM-Neuling und Außenseiter Nordirland (11. Juli, Southampton) und Norwegen (15. Juli, Brighton) klären. „Jeder spricht vom England-Spiel, wir haben danach noch zwei Entscheidungspartien. Das darf man nicht aus den Augen verlieren“, betonte Fuhrmann. Deswegen sagte sie ihren Spielerinnen auf dem Stadionrasen: „Habt Spaß.“