Rien Schuurhuis
AP/Athletica Vaticana/Ivan Sommonte
Radsport

WM-Premiere in päpstlicher Mission

Rien Schuurhuis wird beim abschließenden Straßenrennen der Männer im Rahmen der Weltmeisterschaft 2022 am Sonntag im wahrsten Sinn des Wortes in göttlicher Mission unterwegs sein. Der gebürtige Niederländer ist als erster Sportler der Vatikanstadt bei einem offiziellen Sportgroßereignis mit von der Partie. Für Schuurhuis geht es dabei nicht um Medaillen, sondern um das Verbreiten der Botschaft seines „Chefs“, Papst Franziskus, von Gleichheit und Brüderlichkeit – speziell im Sport.

Der bereits 40-jährige Schuurhuis war neben Stars wie dem Slowenen Tadej Pogacar, Wout Van Aert aus Belgien oder dem Niederländer Mathieu van der Poel der im Vorfeld gefragteste Athlet, der sich am Sonntag auf die 267 km lange und mit fast 4.000 Höhenmetern gespickte WM-Strecke begibt. In den vatikanischen Farben Gelb und Weiß gekleidet, dazu mit einem strahlend weißen Helm auf dem Kopf, sollte der päpstliche Radler im Feld auch einfach zu entdecken sein.

„Es ist eine unglaubliche Ehre. Die richtig großen Emotionen werden aber erst kommen, wenn ich an der Startlinie stehe“, sagte Schuurhuis, der mit seiner Firma Ersatzteile für 3D-Drucker vertreibt und früher im Continental Cup als Profi unterwegs war. Weil er mit der australischen Botschafterin auf dem Heiligen Stuhl, Chiara Porro, verheiratet ist, ist der 40-Jährige nun für das Team der Vatikanstadt startberechtigt.

Es ist das erste internationale Großereignis mit einem Sportler aus dem kleinsten Staat der Erde. Bisher nahm die Vatikanstadt nur an regional begrenzten Events, wie an den Spielen der Kleinstaaten Europas und den Mittelmeer-Spielen, teil. Im Vorjahr wurde der Kleinstaat im Herzen Roms aber von der Internationalen Radunion (UCI) als 200. Mitglied aufgenommen. Der Weg zum Start bei der WM „down under“ war damit frei.

Radsport als Vorbild fürs Leben

In Australien geht es dem rasenden Botschafter des Papstes und seinem Team aber nicht darum, sportlich für Aufsehen zu sorgen. Für Giampaolo Mattei, den Präsidenten von Athletica Vaticana, kann gerade der Radsport in Sachen Zusammenhalt als Vorbild für den Alltag herhalten: „Wie der Papst es 2019 schon gesagt hat, wenn man im Radsport stürzt oder einen Defekt hat, dann ist man nicht alleine, sondern deine Teamkollegen helfen dir zurück ins Feld.“

Rien Schuurhuis mit Entourage
AP/Athletica Vaticana/Ivan Sommonte
Schuurhuis (Mitte) mit seinem Trainerteam vor der Engelsburg in Rom

Auch Schuurhuis sieht es ähnlich. Alleine die erstmalige Teilnahme eines Sportlers aus der Vatikanstadt sei ein wichtiger Schritt, um die Botschaft von Papst Franziskus von Inklusion und Brüderlichkeit in die Welt zu tragen. „Auf dem Sportfeld – oder im konkreten Fall auf der Straße – sind alle gleich, egal welche Religion sie haben oder wie alt sie sind“, sagte der 40-Jährige, der vom ehemaligen Profi Valerio Agnoli, einst Teamkollege der Topstars Ivan Basso und Vincenzo Nibali, trainiert wird.

Apropos Training: Obwohl Schuurhuis sich keine Chancen auf Spitzenplätze ausrechnet, bereitete er sich akribisch auf das Rennen in Australien vor. Trainiert wurde vor allem in den Albaner Bergen rund um die Sommerresidenz des Papstes Castel Gandolfo. Im Vatikan selber sei Radfahren verboten: „Ich habe es einmal mit meinem Sohn gemacht und wurde gleich von einem Polizisten darauf hingewiesen“, so Schuurhuis. Nur für ein Fotoshooting sei ein Auftritt auf dem Rennrad möglich gewesen.

Erster Schritt Richtung Olympia?

Das Antreten in Australien ist auch der Beginn Richtung Olympiateilnahme. Denn eine sportliche Delegation mit dem Wappen des Vatikans, den gekreuzten Schlüsseln des Apostels Petrus, auf der Brust ist das große Ziel der sportlichen Missionare. Ein Fernziel, um genau zu sein. „Dazu benötigt man ein eigenes Olympisches Komitee und die Anerkennung durch das Internationale Olympische Komitee. Das dauert aber alles seine Zeit“, so Athletica-Vaticana-Chef Matei. Die Teilnahme an einer WM wäre aber schon einmal ein wichtiger Schritt.

Ob Papst Franziskus am Sonntag seinem sportlichen Botschafter live auf die Beine schauen wird, ist allerdings mehr als fraglich. Einerseits beginnt das Rennen aufgrund der Zeitverschiebung zu Australien in Mitteleuropa bereits um 2.15 Uhr morgens, außerdem reist der 85-Jährige am Sonntag in die süditalienische Stadt Matera auf einen Besuch. „Aber vielleicht schaut er dann ja die Wiederholung“, gibt sich zumindest Schuurhuis zuversichtlich, dass das Staatsoberhaupt der Vatikanstadt den sporthistorischen Moment nicht zur Gänze versäumen wird.