Christoph Freund
Getty Images/FC Red Bull Salzburg/Jasmin Walter
Interview

Architekt Freund ist Salzburg treu

Vereinstreue ist im Weltfußball nur noch selten zu dokumentieren. Das ist beim FC Salzburg nicht anders, dient der Club für Spieler und Trainer doch vor allem als Sprungbrett. Eine der Ausnahmen stellt Christoph Freund dar, der bereits seit 2006 im Verein mitwirkt und zum Erfolgsarchitekten des heimischen Serienmeisters avancierte. Das entging selbst dem prominenten Champions-League-Gegner Chelsea nicht, der den 45-Jährigen gar auf die Insel holen wollte, sich aber einen Korb einfing. „Die Geschichte ist in Salzburg noch nicht zu Ende erzählt“, erklärte Freund im Interview mit ORF.at.

Es war nicht das erste Mal, dass ein internationaler Club auf die Arbeit des Pinzgauers aufmerksam wurde. Kein Wunder, unter seiner Ägide hat Salzburg Spieler hervorgebracht, die teils den Sprung zu ganz großen Clubs geschafft haben, allen voran Erling Haaland. Freund ist bei Spielern, Trainern und als Lokalmatador vor allem bei den Fans sehr beliebt, in den vergangenen Jahren konnte er sich zudem mit seiner erfolgreichen Arbeit von Vorgänger Ralf Rangnick emanzipieren.

Freund spielte selbst auch Fußball (u. a. für Austria Salzburg, Wattens, Grödig), noch mehr Talent scheint sein Sohn zu haben, der bereits in der Salzburger U16 und in der Nachwuchsauswahl spielt. Freund selbst musste abseits des Platzes früh Verantwortung übernehmen, nach dem Tod seines Vaters stand er einige Jahre der Familientischlerei vor. Nach „der schwersten Zeit in meinem Leben“ heuerte Freund dann beim FC Salzburg an, begann als Teammanager und avancierte 2012 zur rechten Hand von Rangnick, der Salzburg auf den Erfolgsweg führte.

Salzburg trifft auf Chelsea

Salzburg könnte im Champions-League-Heimspiel gegen den FC Chelsea frühzeitig in die K.-o.-Phase kommen. Bei einem Sieg würde das Team die Tabellenführung in der Gruppe übernehmen.

Seit 2015 ist Freund nun selbst sportlicher Architekt, holte seither mit dem Club 13 von 14 möglichen nationalen Titeln und entwickelte ihn mit seinem Team zum Stammgast in der Champions League. Mit ORF.at sprach der heimatverbundene Sportchef nun über die zweite mögliche Achtelfinal-Teilnahme, warum er Chelsea einen Korb gab und welche Rolle er bei der Bestellung von ÖFB-Teamchef Rangnick spielte.

ORF.at: Am Dienstag gegen Chelsea, eine Woche später in Mailand: In der Champions League ist vom ersten bis zum letzten Platz alles möglich, was sagt Ihnen Ihr Gefühl vor dem Finish?

Freund: Der Mannschaft ist vieles zuzutrauen, aber wir spielen gegen die nominell zwei besten Teams der Gruppe, und die wollen natürlich auch weiterkommen. Das werden richtig heiße Fights, es muss für uns alles zusammenpassen, aber zu Hause sind wir eine richtige Macht und haben unter Matthias Jaissle daheim noch kein Spiel verloren. Wir haben eine breite Brust und werden positiv in die Partie reingehen.

ORF.at: Worauf wird es gegen Chelsea ankommen?

Freund: Dass wir unseren Fußball mit Überzeugung spielen. Es wird Phasen geben, in denen wir leiden werden, weil der Gegner dominant sein wird, da müssen wir uns richtig wehren. Ich denke, es wird entscheidend sein, dass man alles gibt, um keine Tore zu bekommen. Da muss man richtig dagegenhalten.

ORF.at: Salzburg stellt die jüngste Mannschaft, auch den jüngsten Trainer in der Königsklasse. Bereits vergangenes Jahr führte Matthias Jaissle das Team ins Achtelfinale, was zeichnet ihn aus?

Freund: Er ist akribisch, strukturiert, extrem detailliert im Matchplan. Das sieht man auch auf dem Platz, etwa in der Defensive, wie wenige Gegentore wir bekommen. Das Spiel ist so geordnet, wie Matthias auch als Mensch. Das zeichnet ihn aus, er ist einfach auch sehr fleißig und ehrgeizig, ordnet dem Erfolg alles unter. Das ist beeindruckend. Dieses Paket macht ihn zu einem außergewöhnlich guten Trainer.

Christoph Freund und Matthias Jaissle
GEPA/Mathias Mandl
Freund gefällt die tägliche Arbeit in Salzburg, Trainer Jaissle wird aber kaum zu halten sein

ORF.at: Nicht nur er zieht das Interesse von Clubs auf sich. Sie haben als Sportdirektor ein Angebot von Chelsea abgelehnt und sich für einen Verbleib in Salzburg entschieden. Warum letztlich?

Freund: Die Geschichte ist in Salzburg nicht zu Ende erzählt, deswegen habe ich einen längerfristigen Vertrag (bis 2026) unterschrieben. Als Salzburger in diesem Club so einen Job ausfüllen zu dürfen, ist etwas ganz Spezielles, das ist auch eher selten in dieser Konstellation. Das bietet eine hohe Lebensqualität, es ist sehr abwechslungsreich, und daher bin ich froh, diesen Job – hoffentlich weiterhin so erfolgreich – ausüben zu dürfen. Auf der anderen Seite war es eine große Ehre, wenn sich so ein Verein für dich interessiert, eine große Auszeichnung. Daher habe ich mich damit natürlich auch intensiv auseinandergesetzt.

ORF.at: Salzburg ist Serienmeister und -cupsieger, hat zudem das Achtelfinale der UEFA Champions League erreicht. Welche Geschichte muss denn noch erzählt werden? Ist nicht alles gesagt?

Freund: Ich messe das nicht nur an Meisterschaften, Cupsiegen oder anderen Ergebnissen. Für mich liegt der Reiz im täglichen Arbeiten in unserer Philosophie, junge Talente zu entdecken, erfolgreiche Transfers zu tätigen, Trainer bei der Entwicklung mitzuerleben. Das macht mir mit Stephan Reiter (Geschäftsführer, Anm.) und dem Team im Verein sehr viel Spaß. Was herausgekommen ist, war sehr erfolgreich. Die Herausforderung ist, dieses Level weiter so halten zu können. Was in der Zukunft bzw. in vier Jahren sein wird, kann ich noch nicht sagen.

ORF.at: Nach Österreich und Deutschland hat Erling Haaland in England eingeschlagen. War er vielleicht Ihr wichtigster Transfer?

Freund: Von der Strahlkraft her war er sicher am wichtigsten, weil Spieler sehen, wie wir sie entdecken und sie sich bei uns entwickeln. Es hat angefangen mit dem ersten Champions-League-Spiel für uns gegen KRC Genk, in dem er drei Tore erzielt hat. Er ist explodiert und hat seither nicht mehr damit aufgehört. Er ist einfach ein positiv verrückter Typ, wie man ihn ganz selten erlebt. Es ist eine Wahnsinnsgeschichte und macht uns extrem stolz, dass er bei uns war.

ORF.at: Noch keine Geschichte ist ein Frauen-Team in Salzburg. Wird es das in naher Zukunft geben?

Freund: Wir diskutieren intensiv, es ist also ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen. Wir werden sehen, was da die nächsten Monate herauskommt, sind dabei, das zu evaluieren. Wir sind ein Verein, der sich entwickelt, das gilt für den Frauen-Fußball allgemein. Da schauen wir gerade, was am besten zu uns passt.

ORF.at: Sie sind nicht nur Sportdirektor in Salzburg, sondern sitzen auch in der ÖFB-Sportkommission. Was passiert da genau?

Freund: Es ist ein wichtiges Gremium, in dem der ÖFB-Präsident und der ÖFB-Sportdirektor sowie die Bundesliga und Landesverbände vertreten sind. Da geht es um allgemeine Fußballthemen, von Breiten- bis Spitzensport über Frauen-Fußball bis hin zum A-Team der Herren.

ORF.at: Ihr Vorgänger in Salzburg, Ralf Rangnick, ist nun Teamchef. Wie war Ihre Rolle bei der Suche? Haben Sie tatsächlich nur eine Telefonnummer weitergegeben oder war er Ihr Vorschlag?

Freund: Nein, zumal es ja nicht meine Aufgabe ist. Zunächst muss man sagen, dass Peter Schöttel (Sportdirektor, Anm.) und Gerhard Milletich (Präsident, Anm.) mit ihrem Team das einfach sehr gut gemacht haben. Sie haben sich mit verschiedenen Fußballfachleuten ausgetauscht, da war nicht nur ich Gesprächspartner. Der ÖFB hat dann die Chance ergriffen, damit Ralf Rangnick als Teamchef unterschreibt. Ich kenne Ralf natürlich, ich schätze ihn sehr, deswegen habe ich auch mit dem ÖFB über ihn gesprochen, aber auch über andere, die schon bei uns gearbeitet haben. Der Verband hat das sehr professionell gemacht.

Christoph Freund, Ralf Rangnick und Jochen Sauer, 2015
GEPA/Mathias Mandl
2015 übernahm Freund die Agenden von Rangnick in Salzburg, Letzterer ist nun ÖFB-Teamchef

ORF.at: Sie sind als Vertreter der Liga in der Sportkommission. Wie steht Österreichs Oberhaus aus Ihrer Sicht aktuell da?

Freund: Die Bundesliga ist auf einem sehr guten Weg, in den vergangenen Jahren ist unter der sehr guten Führung von Christian Ebenbauer (Vorstand, Anm.) sehr viel passiert. Wir können immer auch über Formate sprechen, aber da hat man sich sehr professionell damit auseinandergesetzt, um alles attraktiver und moderner zu machen.

Viele Vereine machen einen guten Job, der LASK war vor einigen Jahren ebenso sehr gut europäisch unterwegs wie der WAC, nun macht es Sturm Graz überragend, Rapid war in den letzten Jahren auch meistens in den internationalen Gruppenphasen gut vertreten. Es liegt nicht nur an uns, dass wir in der Fünfjahreswertung so gut dastehen.

Ich kann mich noch erinnern, dass uns nie ein Fixplatz in der Champions League zugetraut wurde. Jetzt haben wir einen, weil viele einen sehr guten Job gemacht haben. Da müssen wir dranbleiben, das zeigt uns auch die Schweiz, die im Nationalteam gut dasteht, aber auf Vereinsebene etwas zurückgefallen ist.

ORF.at: Ab 2024 gibt es die „neue“ Champions League als Ligenformat: Reicht das aus oder haben Sie die Befürchtung, die „Super League“ setzt sich doch noch durch?

Freund: Wir haben schon eine starke Champions League, ein absolutes Premiumprodukt. Beim neuen Format wird es noch mehr Spiele geben und ist ein nächster Schritt. Ich sehe die „Super League“ sehr skeptisch, da bin ich nicht allein. Die Grundidee vom Fußball sind Spiele kleiner gegen große Clubs, Derbys in der Liga, also spezielle Spiele, auch regional. Davon lebt er. Andernfalls würde die Schere noch mehr auseinandergehen. Es ist jetzt schon schwer, mit den Großen Schritt zu halten. Ich hoffe, dass es so bleibt, alles andere wäre ein Fiasko für den Grundgedanken des Fußballs. Man braucht die großen Vereine auf allen Ebenen, das entwertet sonst nationale, aber eben auch internationale Bewerbe.