Spieler am Spielfeld im Giuseppe-Meazza-Stadion
FC Red Bull Salzburg/Jasmin Walter
Champions League

Mailands „Fußballoper“ stachelt Salzburg an

Am Mittwoch (21.00 Uhr) steht für Österreichs Fußballserienmeister Salzburg einmal mehr ein Highlightspiel auf dem Programm. Auswärts gegen AC Milan geht es in der UEFA Champions League im letzten Gruppenspiel um nicht weniger als den neuerlichen Aufstieg ins Achtelfinale. Zusätzliche Motivation bietet der Schauplatz, denn das Stadio San Siro ist eine der großen Bühnen im Weltfußball. Für das Weiterkommen braucht es aber einen Sieg.

Bei einem Remis geht es fix in der Europa-League-Zwischenrunde weiter, und bei einer Niederlage darf zeitgleich Dinamo Zagreb nicht bei Chelsea gewinnen, sonst ist die Europacup-Saison bereits zu Ende. Der Vorhang in der „Scala del Calcio“ („Fußballoper“), wie die Arena in Anlehnung an das berühmte Opernhaus in der 1,4 Millionen Einwohner zählenden Modestadt auch genannt wird, soll aber nicht fallen.

Das 1926 eröffnete Stadion hört übrigens auf viele Namen. Weil es im gleichnamigen Stadtteil liegt, wird es schlicht San Siro genannt, 1980 bekam es den Namen Giuseppe-Meazza-Stadion, zumal der frühere Stürmer auch für beide Mailänder Clubs gespielt hat. Geht es nach den jüngsten Plänen, soll die Arena aber im Jahr 2026 für ein neues Stadion weichen. San Siro wird aber die Heimat für AC und Inter bleiben.

„Endspiel“ für Salzburg in Mailand

Ein Sieg im letzten Gruppenspiel gegen den AC Milan am Mittwochabend, und der Verbleib in der Champions League wäre für den FC Salzburg gesichert. Am Dienstag haben sich die „Bullen“ auf den Weg nach Mailand gemacht, wo 4.000 Salzburg-Fans für zusätzliche Motivation sorgen sollen.

„Legendäres Stadion“

Am Mittwoch werden wieder über 70.000 Zuschauer in die Arena strömen, aktuell passen 75.000 in den „Tempel.“ Salzburgs Maximilian Wöber hofft auf ein ganz volles Haus: „Ich war mal vor 14 Jahren bei einem internationalen Turnier hier, und wir haben damals auch eine Stadionführung bekommen. Das war schon gigantisch, und ich kann es kaum erwarten, dieses legendäre Stadion mit 75.000 live zu erleben“, sagte der Verteidiger am Dienstag bei der Abschlusspressekonferenz.

Giuseppe-Meazza-Stadion
ORF.at/Bernhard Kastler
Das Stadio San Siro im gleichnamigen Mailänder Stadtteil wurde 1926 eröffnet und viermal renoviert

Dass die Kulisse auf die jungen Spieler Einfluss haben würde, glaube er nicht. „Wir haben auch schon an der Stamford Bridge gespielt, bei uns sind auch immer 30.000. Im Spiel kriegt man das dann nicht mehr so mit, wir freuen uns einfach darauf und wollen ein cooles Spiel zeigen“, sagte Wöber, der mit seinen Kollegen staunend die Arena betrat. Nicht anders erging es dem erst 34-jährigen Salzburg-Coach Matthias Jaissle, dem gar ein österreichisches „Bist du deppat“ über die Lippen kam.

Nicht nur die Salzburger Protagonisten sind vom San Siro angetan, auch die Fans, die sich mit Zug, Auto oder Flugzeug in die Lombardei aufgemacht haben. Rund 4.000 Anhänger werden das Team an Ort und Stelle unterstützen, so viele wie noch nie in der Red-Bull-Ära. In Liverpool waren vor drei Jahren rund 3.000 Anhänger dabei gewesen.

Champions League, Gruppe E, sechste und letzte Runde

Mittwoch, 21.00 Uhr

Milan – Salzburg

Stadio San Siro, SR Mateu Lahoz (ESP)

Mögliche Aufstellungen:

Milan: Tartarusanu – Kalulu, Gabbia, Tomori, Hernandez – Tonali, Bennacer – Rebic, De Ketelaere, Leao – Giroud

Salzburg: Köhn – Dedic, Pavlovic, Wöber, Ulmer – Seiwald, Gourna-Douath, Sucic, Kjaergaard – Sesko, Okafor

Doppelte Bestmarke möglich

„Das zeigt auch die Entwicklung des Vereins“, meinte Wöber. Schon auf dem Flughafen Salzburg hatten einige Dutzend Anhänger die Mannschaft beklatscht und verabschiedet. „Was hier los war, dieser Aufmarsch, das war schön zu sehen“, freute sich Jaissle darüber.

Während diese Bestmarke quasi schon amtlich ist, könnte eine weitere dazukommen: Sollten mehr als 63.000 Zuschauer ins San Siro kommen, würde Salzburg ebenfalls in der Ära seit 2005 vor so vielen Zuschauern wie noch nie spielen. Die oben erwähnte Kulisse rührt vom Halbfinale der UEFA Europa League 2017/18, als man in Marseille mit 0:2 verlor. Schon jetzt ist klar, dass es für die Salzburger Delegation ein Highlightspiel in ihrem Leben wird. „Es ist alleine schon von außen beachtlich, ich freue mich schon drauf“, merkte auch Jaissle hoffnungsfroh an.

Österreichs eigenartiges WM-Halbfinale

Gebaut vom damaligen Clubboss Piero Pirelli ist Milan seit 1926 Hausherr der Arena, Inter zog erst 20 Jahre später ein. Früh kam übrigens ein Österreicher in den Genuss, in San Siro zu arbeiten. Engelbert König war nicht der erste (Ferdi Oppenheim) und nicht der letzte (Hermann Felsner) rot-weiß-rote Milan-Trainer, führte die „Rossoneri“ aber 1929 ins neu formierte Oberhaus.

Das Stadion wurde insgesamt viermal umgebaut. Diese Form mit den markanten Türmen zur Stützung der Dachkonstruktion erhielt es vor der WM 1990. Zweimal diente es als Schauplatz für eine WM-Endrunde, auch Österreich spielte im San Siro schon eine Partie auf der größten Bühne. 1934 stand die Mannschaft von „Wunderteam“-Trainer Hugo Meisl gar im Halbfinale, verlor aber gegen die Gastgeber mit 0:1. Dass Schiedsrichter Ivan Eklind das Tor trotz eines Fouls an Tormann Peter Platzer gab, ist die eine Geschichte, dass der Schwede am Abend zuvor bei einem Empfang von Benito Mussolini zugegen war, eine andere.

Fußballweltmeisterschaft 1934, Österreich gegen Italien
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WM-Halbfinale 1934 in San Siro, und Österreich war mittendrin statt nur dabei

In historischen Rückblicken wird zudem berichtet, dass Eklind mehrere Fouls an den Österreichern nicht geahndet und sie gegen Ende des Spiels sogar einer Torchance beraubt hatte, weil er den Ball ins Out köpfelte. Österreich wurde letztlich WM-Vierter, nur 1954 war man als Dritter besser platziert. Auch bei der WM 1990 spielte das ÖFB-Team in Italien mit, aber nicht in Mailand und schied in der Vorrunde aus.

Unvergessen bleibt das Achtelfinale zwischen Deutschland und den Niederlanden im San Siro, in dem Frank Rijkaard Rudi Völler anspuckte und auch der Deutsche Rot sah – Deutschland holte dafür den Titel.

Noch kein ÖFB-Sieg in UEFA-Wettbewerben

Auf Vereinsebene hatte die Admira 1973 für eine Sensation gesorgt, als man dank Auswärtstorregel Inter in der ersten UEFA-Cup-Runde eliminierte. Zwölf Jahre später besiegte auch der LASK die „Nerazzurri“ im Hinspiel vor eigenem Publikum mit 1:0, verlor dann aber mit 0:4.

Die Wiener Austria mit dem früheren Inter-Mailand-Legionär Herbert Prohaska konnte die Schwarz-Blauen nach einem 1:1 auswärts zehn Jahre nach der Admira eliminieren. Auch Rapid gelang im San Siro gegen Milan schon ein 0:0, gewonnen hat hier aber noch kein ÖFB-Club in UEFA-Wettbewerben – in 14 Spielen setzte es dabei zwölf Niederlagen. 1994 gastierte erstmals eine Mannschaft aus Salzburg in der Mailänder Arena. Damals firmierte man noch als Austria und schaffte es als solche gar ins Endspiel des UEFA-Cups gegen Inter.

Salzburg vor dem UEFA-Cup Finale gegen Inter Mailand im Jahr 1994
GEPA/Franz Pammer
Austria Salzburg stand 1994 im Finale des UEFA-Cups und unterlag im San Siro Inter

Damals noch als Hin- und Rückspiel ausgetragen, musste man sich nach einem 0:1 im Ausweichstadion in Wien auch in Italien mit demselben Ergebnis geschlagen geben. Speziell in Erinnerung blieb der Stangenpendler des Brasilianers Marquinho beim Stand von 0:0, sechs Minuten später entschied Wim Jonk das Duell zugunsten Inters.

Kein halbes Jahr später kehrte Salzburg als österreichischer Meister nach Mailand zurück, um als erste heimische Mannschaft an der UEFA Champions League, dem Nachfolgebewerb des Europacup der Landesmeister, teilzunehmen. Im ersten Auswärtsspiel kam es dabei zu einem handfesten Skandal, als der damalige Salzburg-Goalie Otto Konrad von der Tribüne aus von einer Wasserflasche getroffen wurde.

Im San Siro wurden nach zwei Endspielen im Europacup der Landesmeister auch noch zwei Finale der Champions League ausgetragen. Menschen, die es mit Bayern München halten, werden sich an das Elfmeterschießen 2001 erinnern, in dem Tormann Oliver Kahn gegen Valencia endgültig zum „Titan“ aufstieg. 15 Jahre später gewann Real Madrid an selber Stelle gegen Atletico ebenfalls vom Punkt die Königsklasse.

2026 soll San Siro der „Kathedrale“ weichen

Das legendäre San Siro sorgte also für zahlreiche Schlagzeilen, hat aber auch ein Ablaufdatum. Just im Jahr des 100-jährigen Bestehens soll es dann endgültig einer neuen Arena weichen, die – ähnlich vielen US-Vorbildern – auf dem Parkplatz entstehen und den bescheidenen Namen „Kathedrale“ tragen soll. Nach langem Hin und Her haben sich die beiden Clubs mit der Stadt auf diesen Grundsatzplan geeinigt.

Allerdings müssen sich die Anhänger noch etwas gedulden. Das alte San Siro soll bei den Winterspielen 2026, die in Mailand und Cortina d’Ampezzo stattfinden werden, einen letzten großen internationalen Auftritt haben, nämlich als Schauplatz der olympischen Eröffnungsfeier. So kann auch Salzburg noch einen bleibenden Eindruck hinterlassen.