Marokkos Fußballteam jubelt
Reuters/Carl Recine
FIFA WM 2022

Was sportlich in Erinnerung bleiben wird

Die 22. Fußballweltmeisterschaft ist am Sonntag mit dem dritten Titel für Argentinien zu Ende gegangen. Je länger das umstrittene Turnier im Emirat Katar andauerte, desto mehr überlagert das sportliche Geschehen die Themenlage. Zum Schluss überstrahlte Superstar Lionel Messi vieles, jedenfalls bleiben einige sportliche Tops und Flops in Erinnerung.

Tops

Lionel Messi: Der Altstar hat sich seinen großen Traum erfüllt und auf dem Weg dorthin zahlreiche Bestmarken gebrochen. Messi ist mit 26 Einsätzen und 2.314 Spielminuten WM-Rekordhalter und zudem der einzige Spieler in der Geschichte, der bei einer Endrunde in der Gruppenphase und jedem K.-o.-Match zumindest einmal getroffen hat. Unerreicht sind auch seine 21 Torbeteiligungen auf WM-Ebene (13 Tore, acht Assists) – zwei Treffer erzielte er auch im Finale.

Finale Dramatik: Das Endspiel zwischen Argentinien und Frankreich war an Dramatik kaum zu überbieten und wird wohl als das spektakulärste WM-Endspiel überhaupt in die Geschichte eingehen. Beim letzten Turnier mit 32 Teams boten die Gruppenfinale auch viel Spannung, so scheiterten Mexiko und Uruguay nur um je ein Tor.

Menschen schauen alle auf Messi nach Match, Vogelperspektive
Reuters/Peter Cziborra
Messi brachte den Pokal zurück nach Argentinien und wurde dafür von so ziemlich allen gefeiert

Kylian Mbappe: Der Jungstar verlor zwar das Finale, erzielte dabei aber drei Tore, was bisher in einem WM-Endspiel nur dem Engländer Geoff Hurst 1966 gelungen war. Insgesamt hat der Weltmeister von 2018 in WM-Finale schon vier Mal genetzt – so oft wie kein anderer Spieler vor ihm. Mit acht Treffern wurde Mbappe Torschützenkönig der WM in Katar, dazu kommen vier Tore in Russland. Rekordhalter Miroslav Klose liegt daher nur noch vier Treffer vor Mbappe. Den schönsten Treffer in Katar fabrizierte aber der Brasilianer Richarlison, der beim 2:0 gegen Serbien mit einem Seitfallzieher vollendete.

Resümee der WM in Katar

Die Fußball-WW hat sportliche Tops und Flops gebracht. Darunter ein Torrekord und einen großen Helden.

Marokko: Die „Löwen vom Atlas“ haben sich im Emirat zu einer der größten Sensationen in der WM-Geschichte gemausert. Auf der Rechnung hatte den 22. der FIFA-Weltrangliste trotz Stars wie Achraf Hakimi und Hakim Ziyech niemand, denn selbst beim Afrikacup sind Erfolge der Marokkaner rar gesät (einziger Triumph 1976). Obendrein übernahm Walid Regragui erst Ende August das Teamchefamt. Umso erstaunlicher war der einzigartige Erfolgslauf, der den Turniervierten Marokko nun als erfolgreichstes afrikanisches WM-Team ausschildert.

Kroatien: Die kleine Nation an der Adria hat keine vier Millionen Einwohnerinnen und Einwohner und ist dennoch Fixbestandteil in der Fußballweltspitze. Das hat der Vizeweltmeister von 2018 auch in Katar wieder bewiesen. Mit Glück und viel Können kam das Team von Zlatko Dalic erneut unter die besten vier und eliminierte dabei im Viertelfinale WM-Favorit Brasilien im Elfmeterschießen – offenbar eine Spezialität der Kroaten. Bei den letzten beiden Endrunden mussten sie viermal in den ultimativen Showdown und behielten dabei viermal die Nerven. Am Ende reichte es in Katar wie schon 1998 zu Endrang drei.

Asienteams: Bei der zweiten WM-Austragung in Asien war der Asiatische Fußballverband (AFC) erstmals in der Geschichte mit drei Nationalmannschaften im Achtelfinale vertreten. Das sind so viele wie bei den vergangenen vier Turnieren insgesamt. In Katar qualifizierten sich Japan, Südkorea und auch das AFC-Team aus Australien für die Runde der besten 16, bei der für das Trio allerdings das Aus kam. Unvergessen bleiben auch die Überraschungen zum Turnierstart, als Saudi-Arabien den späteren Weltmeister Argentinien mit 2:1 besiegte und nur einen Tag später auch Japan Deutschland mit 2:1 bezwang.

Torhüterleistungen: Patzer wie von Australien-Goalie Mathew Ryan im Achtelfinale gegen Argentinien und von Kanada-Keeper Milan Borjan gegen Marokko waren bei der WM die Ausnahme. Umso mehr stachen Leistungen wie jene von Kroatiens Schlussmann Dominik Livakovic heraus, der sich gegen Japan als Elfmeterkiller vorstellte und Brasilien im Viertelfinale mit zahlreichen Paraden und einem gehaltenen Penalty zur Verzweiflung brachte.

Livakovic bei Elmeter-Parade
Reuters/Matthew Childs
Einige Torhüter konnten sich beim Elfmeterschießen auszeichnen

Auch Marokkos Yassine Bounou zeigte sich gegen Spanien und Portugal in der K.-o.-Runde unbezwingbar. Der größte Tormannheld des Turniers war aber Emiliano Martinez mit seinen gehaltenen Elfmetern gegen die Niederlande und Frankreich. Zudem entschärfte der Argentinier, der als bester Goalie ausgezeichnet wurde, im Finale in Minute 123 eine Großchance von Randal Kolo Muani exzellent.

Disziplin der Spieler: Gemessen an den ausgeteilten Karten haben sich die WM-Kicker nahezu durchwegs diszipliniert und fair präsentiert. Nur eine Rote Karte (für Wales-Tormann Wayne Hennessey) und drei Gelb-Rote Karten gab es in den insgesamt 64 Spielen.

Flops

Deutschland: Die DFB-Auswahl verpasste als Gruppendritter wie schon 2018 das Achtelfinale. Nach einem 1:2 gegen Japan stand die Truppe von Hansi Flick von Beginn an unter Druck, es folgte ein 1:1 gegen Spanien und ein nicht mehr ausreichendes 4:2 über Costa Rica. Teammanager Oliver Bierhoff nahm nach 18 Jahren den Hut, Flick bleibt im Amt und soll das Team auf die Heim-EM 2024 vorbereiten.

Deutsche Mannschaft nach Ausscheiden aus WM
AP/Martin Meissner
Wie schon 2018 verabschiedete sich Deutschland bereits nach der Vorrunde

Belgiens „Goldene Generation“: Die großen Namen machten Belgien wieder einmal zum Geheimfavoriten. Diesem Status wurde das in die Jahre gekommene Ensemble des Weltranglistenzweiten überhaupt nicht gerecht. Nach einem schmeichelhaften 1:0 gegen Außenseiter Kanada und einem völlig verdienten 0:2 gegen Marokko reichte ein 0:0 gegen Kroatien nicht zum Aufstieg. Der Zenit der Generation um Kevin De Bruyne könnte nach WM-Rang drei 2018 überschritten sein. Eden Hazard hat seine Teamkarriere beendet.

Gastgeberteam Katar: Katars Nationalteam war bei der Heim-WM trotz langer und exklusiver Vorbereitungszeit nicht konkurrenzfähig. Es ging mit drei klaren Niederlagen gegen Ecuador (0:2), Senegal (1:3) und die Niederlande (0:2) als bisher schwächster Gastgeber in die WM-Geschichte ein. Teamchef Felix Sanchez sieht den Fußball im Emirat zwar auf einem guten Kurs, sportlich scheint aber der Weg noch weit. Dass die lautesten Stadionstimmungsmacher für Katar im Ausland eingekauft worden sein sollen, passt auch in das gesamte Bild.

Katarisches Team
Reuters/Bernadett Szabo
Der sportlich schlechteste WM-Gastgeber aller Zeiten: Katar

Elfmeterschützen: Was haben Robert Lewandowski, Harry Kane, Virgil van Dijk, Messi, Marquinhos, Rodrygo, Kingsley Coman und Sergio Busquets gemeinsam? Sie alle haben bei der Weltmeisterschaft in Katar einen Elfmeter verschossen.

Cristiano Ronaldo: Es hatte sich ein wenig angekündigt. Bei Manchester United spielte Portugals alternder Superstar schon in den Monaten vor der WM keine Rolle mehr. Das Zerwürfnis mit Trainer Erik ten Hag gipfelte in einer öffentlichen Abrechnung Ronaldos mit dem Club und wenige Tage vor WM-Beginn in der Trennung von den Engländern. In Katar traf der 37-jährige Portugiese beim Auftaktsieg über Ghana zwar noch aus einem Elfmeter, dann war aber Funkstille. In der K.-o.-Runde verbannte Trainer Fernando Santos den Kapitän sogar auf die Bank. Als „Joker“ blieb er gegen die Schweiz blass, beim Aus gegen Marokko konnte er im Finish nichts mehr beitragen.

Cristiano Ronaldo beim Weinen
IMAGO/Sports Press Photo/Marcio Machado/SPP
Der eine Superstar stemmte den Pokal, der andere ging unter Tränen

Österreich-Gegner Wales und Dänemark: Als Halbfinalist der EM 2021 hatten sich die Dänen auch in Katar Chancen auf Erfolge ausgerechnet. Doch es kam ganz anders. Ein torloses Remis zum Auftakt gegen Tunesien sollte das höchste der Gefühle bleiben, nach dem 1:2 gegen Titelverteidiger Frankreich und einem enttäuschenden 0:1 gegen Australien kam das frühe Aus für die unter Ladehemmung leidenden Dänen, die Österreich in der Nations League zweimal geschlagen hatten. Auch Wales, im WM-Quali-Play-off gegen Rot-Weiß-Rot erfolgreich, hatte nichts zu melden. Ein Elfmetertor von Altmeister Gareth Bale beim 1:1 gegen die USA war das Highlight. Es folgten ein 0:2 gegen den Iran, das 0:3 gegen England und das frühe Aus.