Fußballer Leonardo Bonucci (Juventus)
Reuters/Massimo Pinca
Fußball

Neue Misere versetzt Juve in Trotzmodus

Es ist nicht das erste Mal, dass Juventus Turin in der Misere steckt. Italiens Rekordmeister, gemeinhin als „Alte Dame“ bekannt, wurde etwa einst in den 2000er Jahren nach einem Manipulationsskandal zwangsrelegiert. Dieses Mal gab es wegen Bilanzfälschung „nur“ einen Abzug von 15 Punkten in der Serie A, der europäische Kontinentalverband (UEFA) droht allerdings auch mit Ungemach. Die „Bianconeri“ („Weiß-Schwarzen“) schalten indes in den sportlichen Trotzmodus um und visieren die Teilnahme an der Champions League an.

Am Freitag hatte das Urteil des Sportgerichts des italienischen Fußballverbandes (FIGC) für ein sportliches Erdbeben gesorgt. Juve war bestraft worden, weil es die Richter als erwiesen ansahen, dass der Verein durch fingierte Marktwertangaben seiner Spieler die Bilanzen frisiert habe. Die Turiner sollen allein in den Jahren 2018, 2019 und 2020 ihre Bilanzen um mehr als 100 Millionen Euro beschönigt haben.

Der frühere Serienchampion streitet das ab und will das oberste Sportgericht des Italienischen Olympischen Komitees (CONI) anrufen. Man hofft, dass dieses den Fall zur erneuten Prüfung an die Gerichte des FIGC zurückgebe und der Punktabzug danach aufgehoben werde.

Juventus lässt auch auf Platz Punkte liegen

In der italienischen Serie A läuft es für Juventus Turin auch sportlich nicht nach Wunsch. Nachdem der „alten Dame“ 15 Punkte wegen Bilanzfälschung abgezogen wurden, lässt Juventus jetzt auch auf dem Platz Punkte liegen. Gegen Atalanta Bergamo reichte es nur zu einem 3:3-Unentschieden.

Das Sportgericht hatte Juve und andere Clubs wegen dieser Vorwürfe zuvor schon einmal freigesprochen – durch neue Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Die anderen acht Vereine, etwa Sampdoria und Empoli, wurden übrigens wieder freigesprochen, während Juventus alleine im Sumpf steckt.

„Akte Prisma“ und ihre Folgen

Neben dem Punkteabzug wurden auch die ehemaligen Clubbosse individuell bestraft. Ex-Präsident Andrea Agnelli, Nachfahre der hiesigen Fiat-Dynastie, die seit 100 Jahren im Club verwurzelt ist, wurde für zwei Jahre, der ehemalige Vizepräsident Pavel Nedved für acht Monate für jegliche Aktivitäten im italienischen Fußball gesperrt. Bereits Ende November waren beide im Angesicht der „Akte Prisma“, die die Machenschaften zusammenfassend festhält, zurückgetreten.

Andrea Agnelli und Pavel Nedved
IMAGO/Nicolo Campo
Präsident Agnelli und Vize Nedved, einst Weltklassespieler, traten schon im November zurück

In der Causa geht es vor allem um Ungereimtheiten beim Tauschen von Spielern mit anderen Clubs, wie es Juventus in der Vergangenheit öfters getan hat. So soll Juventus Einnahmen für einen Spieler, der gegangen ist, sofort verbucht haben, während die Ausgaben für den neuen Spieler über die Laufzeit eines Vertrages verteilt wurden. Auch das schaffte Spielraum für geschönte Bilanzen über die Jahre hinweg.

Auch UEFA droht mit Ungemach

Juve droht zudem internationales Ungemach: Der europäische Kontinentalverband prüft derzeit ebenfalls die Finanzen der Italiener, nachdem auch die Staatsanwaltschaft ermittelt. Neben den fingierten Spielerbewertungen steht der Vorwurf im Raum, dass der Verein in der CoV-Pandemie seine Profis zum Teil schwarz bezahlt und dadurch weitere Millionen Euro nicht ordnungsgemäß verbucht habe.

Italienische Medien spekulierten am Wochenende, dass die UEFA streng auf die Entwicklung schauen werde und den Verein – der wegen des Projekts einer europäischen Superliga beim Kontinentalverband ohnehin in Ungnade gefallen war – hart bestrafen könnte. Ein Ausschluss aus dem Europacup für die nächsten Jahre könnte drohen. Zunächst aber muss sich Juventus für einen Bewerb erst qualifizieren.

Die Nachricht des heftigen Urteils erreichte naturgemäß auch schnell die Spieler. Die Mannschaft setzt nach dem Urteil auf eine sportliche Reaktion und glaubt trotz des Punkteabzugs an eine erneute Qualifikation für die Königsklasse, in der man in dieser Saison bereits in der Gruppenphase mit nur drei Zählern am Konto auschieden war.

„Juve ist wie ein Drache mit sieben Köpfen“

Stellvertretend kämpferisch gab sich Kapitän Leonardo Bonucci auf Instagram. „Juventus ist wie ein Drache mit sieben Köpfen“, schrieb der Europameister. „Wenn ihm einer abgeschnitten wird, erscheint immer ein neuer. Niemals aufgeben!“ Der neue Clubpräsident Gianluca Ferrero forderte Spieler und Trainer auf, sportlich ihren Job zu erledigen, während die Clubführung vor Gericht kämpfe.

Zum neuen Fußballchef rückte innerhalb des Clubs Francesco Calvo auf, Trainer Massimiliano Allegri, mit zwei Jahren Unterbrechung seit 2014 im Amt, betonte bereits am Tag nach dem Urteil: „Wir brauchen einen außergewöhnlichen Lauf, aber ich habe die Rechnung gemacht.“

Trainer Massimiliano Allegri (Juventus)
APA/AFP/Isabella Bonotto
Trainer Allegri weiß: „Wir brauchen einen außergewöhnlichen Lauf“

Gegen Atalanta Bergamo reichte es am Sonntag nur zu einem 3:3, womit der vierte Platz, der noch zur Champions-League-Teilnahme berechtigt, bereits 14 Punkte entfernt ist. Doch es ist erst Halbzeit.

Nicht der erste Skandal

Es ist nicht das erste Mal, dass die „Alte Dame“ für Negativschlagzeilen sorgt. 2006 stürzte der Calciopoli-Skandal, in dem auch AC Milan, Lazio Rom und AC Fiorentina verwickelt waren, den Fußball in Italien in eine schwere Krise. Dem damaligen Juventus-Manager Luciano Moggi war vorgeworfen worden, Schiedsrichter beeinflusst und Spiele zugunsten seines Clubs manipuliert zu haben. Den Turinern wurden die Meistertitel aus den Jahren 2005 und 2006 aberkannt, der Verein in die Serie B zwangsverfrachtet und Moggi als zentrale Figur in erster Instanz zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt.

Juventus schaffte damals trotz Punkteabzugs von letztlich neun Zählern den sofortigen Wiederaufstieg und avancierte in den 2010er Jahren mit neun Titeln in Folge zum Serienmeister, der dritte Titel in der Champions League nach 1996 bzw. 1985 (damals Meistercup) wurde in zwei Endspielen 2015 (1:3 gegen Barcelona) und 2017 (1:4 gegen Real Madrid) verpasst. Kein Club verlor öfter ein Finale im größten internationalen Clubturnier als Juventus (sieben). Mit den neuen Sorgen ist die „Alte Dame“, die diesen Spitznamen übrigens von anfänglichen Trikots hat (bei Wind bildeten sie deutliche Buckel wie alte Damen), von solch einem Endspiel ohnehin weit weg.