Der heute 66-jährige Stenmark feierte am 19. Februar 1989 seinen letzten Weltcup-Erfolg und war danach über 34 Jahre an der Spitze dieser prestigeträchtigen Wertung, ehe er ausgerechnet in seiner Heimat von Shiffrin eingeholt wurde. Mit 52 Siegen im Slalom, 20 im RTL, fünf in Parallelrennen, fünf im Super-G, drei in der Abfahrt und einem in der Kombination steht die Ausnahmekönnerin auf einer Stufe mit dem Schweden, der den RTL vor dem TV in Stockholm verfolgte.
Dort sah Stenmark, wie Shiffrin den Grundstein zum Sieg mit einer perfekten Fahrt im ersten Durchgang legte. In der Entscheidung reichte der US-Amerikanerin dann die sechstbeste Zeit, um sich am Ende 0,64 Sekunden vor der Italienerin Federica Brignone durchzusetzen. Dritte wurde die Lokalmatadorin Sara Hector (0,92). Franziska Gritsch, die nach Lauf eins auf Rang drei gelegen war und nach ihrem ersten RTL-Podest griff, fiel wenige Tore vor dem Ziel aus. Beste ÖSV-Dame wurde damit Stephanie Brunner auf Rang neun (2,14).
„Es ist natürlich ein Traum“
Im Mittelpunkt stand an diesem Tag freilich Shiffrin, für die sich in Aare ein Kreis schloss. Am 20. Dezember 2012 hatte sie dort im Slalom als 17-Jährige ihren ersten Weltcup-Sieg gefeiert. Knapp zehn Jahre danach setzte die mehrfache Weltmeisterin und zweifache Olympiasiegerin mit ihrem 86. Triumph einen weiteren Meilenstein in ihrer außergewöhnlichen Karriere.
1. Mikaela Shiffrin (USA)
2. Federica Brignone (ITA)
3. Sara Hector (SWE)
„Das ist schon ziemlich wild. Es ist unglaublich, mit Ingemar Stenmark in einem Satz genannt zu werden. Ich wollte nie Rekorde brechen. Das sind nur Zahlen. Aber es ist natürlich ein Traum. Hätte man mir das erzählt, wie ich sieben Jahre alt war, wäre ich ausgeflippt“, sagte ein sichtlich glückliche Shiffrin im ORF-Interview.
Auch RTL-Kristall vorzeitig gewonnen
Zum Drüberstreuen gab es für Shiffrin, die den Gesamtweltcup bereits für sich entschieden hat, auch den vorzeitigen Sieg im RTL-Weltcup. Vor dem letzten Rennen in Soldeu liegt Shiffrin uneinholbare 214 Punkte vor der Slowakin Petra Vlhova und 218 vor der Schweizerin Lara Gut-Behrami. Für das Ausnahmetalent ist es nach 2019 die zweite Kristallkugel im Riesentorlauf und die insgesamt 15. ihrer Karriere.
Vor dem zweiten Durchgang wollte Shiffrin den Gedanken an den Rekord ausblenden. Viel eher dachte sie an den Gewinn der RTL-Kugel. „Ich habe nur auf die Resultate geschaut und wusste, ich musste noch Punkte sammeln, um die Kugel zu gewinnen. Deshalb muss man schon ordentlich Gas geben, um Rennen zu gewinnen. Wenn mich jemand am Start gefragt hätte, ob ich, wenn ich wählen müsste, den Siegesrekord oder die RTL-Kugel nehme, dann hätte ich die Kugel genommen“, sagte Shiffrin, die mit ihrem 20. Weltcup-Erfolg im RTL auch mit der Bestmarke der Schweizerin Vreni Schneider gleichzog.
Ausfall von Gritsch „extrem bitter“
Auch für die ÖSV-Damen hätte es ein besonderer Tag werden können. Gritsch lag nach dem ersten Durchgang mit einem Rückstand von 0,93 Sekunden auf Shiffrin auf Rang drei. Die 25-jährige Tirolerin war damit auf Kurs in Richtung erstes RTL-Podest für die ÖSV-Damen seit über drei Jahren. In der Entscheidung gelang Gritsch, die zuletzt im Kvitfjell ihr erstes Super-G-Podest geholt hatte, aber kein fehlerfreier Lauf, ehe sie wenige Tore vor dem Ziel dann ausfiel.
„Ich wollte attackieren, es ist extrem bitter. Vor dem Ziel ist es glatter, ich habe mich zu weit reingelegt. Alle haben im zweiten Lauf ordentlich zugelegt, deshalb wollte ich auch noch einmal andrücken. Es sind viele Sachen, auf die ich aufbauen kann. Ich werde einfach hart weiterarbeiten“, sagte Gritsch, die Shiffrin gratulierte: „Die Mikaela ist sehr beeindruckend, richtig, richtig cool. Sie arbeitet jeden Tag hart.“
Der Ausfall von Gritsch
Im ersten Lauf noch auf Podestkurs fiel die 25-jährige Tirolerin nach ordentlicher Fahrt im zweiten Durchgang im Schlussteil aus.
Bestes Saisonresultat für Brunner
Somit blieb es Brunner vorbehalten, mit Platz neun ihr bestes Ergebnis in dieser Saison einzufahren. Die verletzungsgeplagte Tirolerin verbesserte sich im zweiten Lauf mit der fünftbesten Zeit um elf Ränge. „Ein paar Passagen, vor allem über die Übergänge, gehen noch besser. Da fehlt mir doch die Rennroutine. Zuletzt musste ich sogar Trainings abbrechen, weil mir das Selbstvertrauen gefehlt hat. Aber von dem her war es heute ein großer Schritt vorwärts“, bilanzierte die 29-Jährige.
Julia Scheib belegte den 18. Rang (3,08). „Ich muss froh sein, dass ich ein Ergebnis habe, weil ich unten fast ausgefallen wäre. So bin ich happy. Das Vertrauen war nicht so da, wie es sein sollte. Aber das kommt schon, das muss ich nur abwarten. Für mich war das Finale sehr wichtig, da kann ich befreiter fahren. Das heute war Schadensbegrenzung, das muss ich zugeben. Fürs Finale habe ich mehr vor“, sagte die 24-Jährige.
Scheib ist eine von fünf ÖSV-Damen, die beim Weltcup-Finale startberechtigt sind. Ebenfalls unter die Top 25 schafften es die derzeit rekonvaleszente Ricarda Haaser, Gritsch, Brunner und Katharina Liensberger, die in Aare als Viertletzte des ersten Durchganges die Qualifikation klar verpasst hatte. Nicht in Soldeu dabei sind – obwohl sie in Aare noch Weltcup-Punkte holten – Ramona Siebenhofer, Katharina Truppe und Elisabeth Kappaurer.