ÖEHV-Tormann Bernhard Starkbaum im Spiel gegen die USA
GEPA/Daniel Goetzhaber
Eishockey

Alarmstufe Rot bei Österreichs Torhütern

Die Gruppenphase der 87. A-Weltmeisterschaft ist Geschichte. Die acht Viertelfinalisten stehen genauso fest wie die beiden Absteiger Ungarn und Slowenien. Österreich hielt zwar die Klasse, doch die Zitterpartie machte klar, dass im österreichischen Eishockey auf der Torhüterposition Alarmstufe Rot herrscht – nicht hauptsächlich wegen der Leistungen in Tampere, sondern der düsteren Zukunft.

„Eine Herausforderung, die ich sehe und immer wieder thematisiere, ist unsere Torhütersituation“, fasste Teamchef Roger Bader nach dem knappen 4:3-Erfolg über Ungarn im Penaltyschießen seine größte Sorge im Hinblick auf die kommende WM 2024 in Tschechien in Worte. „Ich bin sehr zufrieden mit den Torhütern, die wir hier hatten, und hoffe, dass sie auch nächstes Jahr dabei sind – wobei ich mir da nicht sicher bin“, sagte der Schweizer in Richtung seines Trios Bernhard Starkbaum, David Kickert und David Madlener.

Denn das Ablaufdatum von Österreichs aktuellen Teamgoalies rückt immer näher. Der 37-jährige Starkbaum ließ es in den Katakomben der Nokia Arena von Tampere offen, ob er kommendes Jahr noch einmal sein Teamtrikot mit der Nummer 29 tragen wird. Madlener ist mit 31 Jahren auch kein aufstrebendes Talent mehr, und auch Kickert verlässt mit 29 Jahren altersmäßig bald die 30er-Zone. Jüngere Verstärkung auf der vielleicht wichtigsten Position im Eishockey drängt sich nicht auf.

Erleichterung nach Klassenerhalt

Nach dem dramatischen Sieg gegen Ungarn durfte sich Österreichs Eishockey-Team bei der A-WM in Finnland über den Klassenerhalt freuen.

Goalies ohne Praxis

Das liegt aber nicht an fehlenden Spielern, sondern an fehlenden Perspektiven – speziell in der ICE Hockey League. Schon von den drei aktuellen Teamgoalies hatte nur Starkbaum bei den Vienna Capitals zumindest im Grunddurchgang jenen Status, den man Nummer eins nennt. Im Play-off rutschte der gebürtige Wiener aber hinter den Schweden Stefan Steen zurück. Kickert und Madlener waren bei Meister Salzburg bzw. den Vorarlberg Pioneers generell nur Ersatz.

„Wir können nicht mit dem Backup-Goalie von Vorarlberg, dem Backup-Goalie von Salzburg und einem Torhüter, der in den Play-offs nicht mehr die Nummer eins war, eine A-WM spielen. Das gibt es bei keiner Nation. Sie haben keine Spielpraxis“, sagte Teamchef Bader und zeichnete ein düsteres Bild: „Wenn sich das nicht ändert, Starkbaum vielleicht aufhört und sich von den anderen beiden einer verletzt, dann gute Nacht.“ Bedenklich: Starkbaum und Kickert absolvierten in der Liga mit 55 Spielen gemeinsam nur eines mehr als der Schweizer „Einser“ Leonardo Genoni beim EV Zug allein.

Mögliche Kandidaten wären etwa der bereits ins Nationalteam einberufene 23-jährige Florian Vorauer oder sein gleichaltriger Kollege Ali Schmidt. Doch Vorauer steht beim KAC der erfahrene Däne Sebastian Dahm im Weg, Schmidt schlug ein Angebot des Villacher SV aus, nachdem ihm dieser kaum Chancen auf Einsätze im Oberhaus in Aussicht gestellt hatte. „Wir haben gute Torhüter, aber sie müssen spielen“, so Bader. Er selbst könne an die Clubs keine Forderungen stellen: „Aber es wird ein großes Problem.“

KAC-Tormann Florian Vorauer
GEPA/Michael Kristen
Florian Vorauer sammelte vergangene Saison vor allem im Farmteam des KAC Spielpraxis

Einbürgerungen als ungeliebte Alternative

Wie wichtig ein guter Torhüter im Konzert der Großen ist, zeigt ein Blick auf die Statistik der abgelaufenen WM-Gruppenphase. Österreichs Torhüter kamen zusammen nur auf eine Fangquote von 86,43 Prozent. Damit war man knapp hinter Absteiger Ungarn (86,93) und unmittelbar vor Frankreich (85,45) die Nummer 15 von 16 Nationen. Hätte Madlener bei seinem einzigen Einsatz gegen Finnland nicht über 92 Prozent der Schüsse gehalten, wäre Österreich in dieser Statistik wohl Letzter.

Starkbaum spielte bei seiner möglicherweise letzten WM erst in der Verlängerung und im Penaltyschießen gegen Ungarn seine Routine und Klasse aus. Davor erinnerte der Capitals-Schlussmann selten an jenen Mann, der mit seinen Paraden im vergangenen Jahr unter anderem den sensationellen ersten Sieg über Tschechien festgehalten hatte. Auch Kickert konnte diesmal nicht an seine Form von 2022 anschließen. Zum Vergleich: Genoni hielt als bisher bester Torhüter des Turniers bei drei Einsätzen fast 97 Prozent der Schüsse.

ÖEHV-Tormann Bernhard Starkbaum im Spiel gegen Ungarn
AP/Pavel Golovkin
Starkbaum, hier gegen Ungarn, könnte für das Nationalteam als Option im Tor bald wegfallen

Diesmal sei es noch einmal gutgegangen, meinte Bader: „Aber wenn dieser Zustand sich nicht ändert, werden wir nicht längerfristig in der A-Gruppe sein.“ Eine Alternative zur Ausbildung junger Goalies wäre eine Variante aus vergangenen Zeiten: Torhüter einzubürgern. „Ich bin immer gegen Einbürgerungen gewesen, aber auch das muss man sich überlegen“, sagte Bader und fügte im Sog des Klassenerhalts hinzu: „Zum Glück haben wir gewonnen, weil dann hört man mir vielleicht zu.“

Offensives Potenzial ist vorhanden

Abseits der Torhüterproblematik wäre, trotz deutlich ausbaufähiger Nachwuchsarbeit, das Potenzial für einen langfristigen Tanz auf A-Niveau durchaus gegeben. Vor allem die junge Verteidigung, in der der bei Salzburg ausgemusterte Dominique Heinrich mit 32 Jahren der mit Abstand Älteste war, gibt Grund zur Hoffnung. Welcher Rohdiamant und welche Verstärkung David Reinbacher ist, bewies der 18-Jährige in den letzten beiden Spielen auch mit einer Schiene am lädierten linken Knie.

Auch im Sturm muss Österreichs Fans nicht bange sein. Marco Rossi steigerte sich, wohl auch zur Freude seiner Chefs von den Minnesota Wild aus der National Hockea League (NHL), in Tampere von Spiel zu Spiel. Der 21-Jährige erzielte gegen Ungarn sein erstes WM-Tor und war mit sechs Punkten der beste österreichische Scorer beim Turnier. Mit dem 19-jährigen Marco Kasper, ebenfalls in der NHL bei den Detroit Red Wings unter Vertrag, und dem 22-jährigen Benjamin Baumgartner fehlten zwei junge Angreifer ebenso wie der NHL-gestählte Michael Raffl aufgrund von Verletzungen.

Eine Statistik wird sich Bader jedenfalls noch vor der Abreise der Mannschaft am Mittwoch ausgedruckt und eventuell auch an seine Spieler verteilt haben. Denn in Sachen Powerplay war Österreich bei der WM 2023 die klare Nummer eins. Baders Burschen schossen in zwölf Überzahlgelegenheiten fünf ihrer elf Tore. Mit einer Powerplay-Quote von 41,67 Prozent waren die Österreicher die klare Nummer eins der Vorrunde. Apropos zwölf: Auch mit der geringsten Anzahl an Powerplays war Österreich Erster.