Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Jonas Vingegaard (Team Jumbo–Visma)
Reuters/Papon Bernard
Tour de France

Duell wird zum Sekundenkrimi

Nach dem ersten Ruhetag bei der Tour de France geht die Jagd nach den Sekunden am Dienstag mit der zehnten Etappe weiter. Jonas Vingegaard fährt weiter im Gelben Trikot, der 26-jährige Titelverteidiger aus Dänemark musste zuletzt auf dem legendären Puy de Dome im Duell mit Tadej Pogacar aber einen weiteren Rückschlag hinnehmen.

Der Vorsprung von Vingegaard in der Gesamtwertung auf den zweifachen Champion aus Slowenien beträgt nur noch 17 Sekunden. Und der Trend spricht gegen den Vorjahressieger: Pogacar wird jeden Tag besser, Vingegaard konnte bereits bei zwei Attacken nicht folgen. Der Däne lässt sich dadurch aber nicht beirren. „Ich bin froh, nach der ersten Woche das Gelbe Trikot zu haben. Die bisherigen Etappen lagen Tadej mehr als mir. Ich freue mich auf die Alpen“, sagte Vingegaard, räumte aber ein: „Es wird ein erbitterter Kampf bis zum Ende.“

Bjarne Riis ist da weniger optimistisch. Der erste dänische Tour-Sieger sah bei seinem Landsmann unerwartete Schwächen. „Zweifellos hat die Hitze ihm zugesetzt. Es ist nie gut, wenn man Zeit auf seinen größten Rivalen verliert, aber er hat den Schaden in Grenzen gehalten“, schrieb der 59-Jährige in seiner Kolumne für die Zeitung „B. T.“. „Tadej Pogacar hat Blut geleckt. Ich denke, er ist ein wenig sauer auf sich selbst, dass er nicht früher angegriffen hat.“

Tadej Pogacar (UAE Team Emirates)
IMAGO/Sirotti Stefano
Beim Aufstieg zum Puy de Dome hatte Pogacar das bessere Ende für sich

Vorsprung schrumpft kontinuierlich

Dabei wirkte das Duell schon nach der ersten Bergetappe fast entschieden. Vingegaard nahm Pogacar über eine Minute ab. Der 24-Jährige, so die einhellige Meinung, litt wohl noch an den Folgen eines Ende April erlittenen Kahnbeinbruchs. Doch Pogacar schlug im Stil eines Champions zurück und entschied die beiden folgenden Bergankünfte für sich. Der Leistungsunterschied zwischen den beiden Dominatoren ist marginal, momentan wohl bei jenen acht Sekunden, die Pogacar Vingegaard vor dem Ruhetag abnahm.

Längst ist die Rede davon, dass der bisher knappste Ausgang der Tour-Geschichte unterboten werden könnte: 1989 trennten Sieger Greg LeMond nur acht Sekunden von Laurent Fignon. In Frankreich zieht das Duell die Massen an und lockt sie trotz Ferienbeginns und Temperaturen jenseits der 30 Grad an die Strecke und vor den Fernseher. Am Sonntag sahen in der Spitze acht Millionen Fans zu, als erstmals nach 35 Jahren wieder der Puy de Dome erklommen wurde.

„Ich bin hier für den Sieg“

Pogacar befindet sich in einer perfekten Position. Mental, weil die beiden letzten Bergankünfte durchaus Wirkung bei Vingegaard zeigten. Taktisch, weil er (noch) nicht im Gelben Trikot fährt und seinem Team damit eine Menge Arbeit an der Spitze des Feldes erspart. Der Slowene hatte nach seiner mehrwöchigen Trainingspause und aufgrund der fehlenden Rennpraxis ohnehin darauf gesetzt, im Verlauf der Tour immer besser in Form zu kommen. „Ich bin sehr froh darüber, dass ich Jonas unter Druck setzen kann“, sagte Pogacar. „Ich bin hier für den Sieg.“

In der zweiten Tour-Woche dürfte es zu einer kleinen Verschnaufpause im Duell an der Spitze kommen. Die Etappen bis zum Donnerstag sind für Ausreißer und Sprinter konzipiert. Zudem soll sich die über dem Zentralmassiv hängende Hitze erst am Mittwoch in einem Gewittersturm entladen.

Am Freitag wird sich dann zeigen, ob Vingegaards Vorfreude auf die Alpen berechtigt ist. Die Etappe endet nach über 17 Kilometern unrhythmischen Anstiegs auf dem Grand Colombier, der Däne sollte dabei keine weitere Zeit verlieren. Sein Fokus dürfte auf der Schlusswoche liegen, wenn es über den 2.304 Meter hohen Col de la Loze geht. In der Höhe, das hat zumindest der Tourmalet gezeigt, hat der Titelverteidiger vielleicht Vorteile gegenüber Pogacar.

Gesamtwertung

Stand nach neun von 21 Etappen:
1. Jonas Vingegaard DEN 38:38:03
2. Tadej Pogacar SLO + 0:17
3. Jai Hindley AUS 2:40
4. Carlos Rodriguez ESP 4:22
5. Adam Yates GBR 4:39
6. Simon Yates GBR 4:44
7. Tom Pidcock GBR 5:26
8. David Gaudu FRA 6:01
9. Sepp Kuss USA 6:45
10. Romain Bardet FRA 6:58
16. Felix Gall AUT 9:46
42. Felix Großschartner AUT 48:21
63. Gregor Mühlberger AUT 1:08:40
89. Patrick Konrad AUT 1:25:31
97. Marco Haller AUT 1:33:36
141. Michael Gogl AUT 1:56:47