Der deutsche Teamchef Hans-Joachim Flick
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Fußball

Deutsches Debakel: Flick schwer angezählt

Der deutsche Fußball taumelt neun Monate vor der Heimeuropameisterschaft vor sich hin: Am Samstag wurde das Nationalteam in Wolfsburg von Japan beim 1:4 im Test vorgeführt. Der ohnehin seit geraumer Zeit in der Kritik stehende Teamchef Hansi Flick ist schwer angezählt, am Dienstag wartet der französische Vizeweltmeister auf Kapitän Ilkay Gündogan und Co. – ob da Flick noch auf der Bank sitzen wird, darf zumindest angezweifelt werden.

Die größte deutsche Tageszeitung „Bild“ forderte bzw. forcierte bereits den Rauswurf des zuvor bei Bayern München so erfolgreichen Coaches („Trennung ist alternativlos“), über Nachfolgekandidaten wird schon eifrig spekuliert. Neben den aufgelegten Kandidaten wie Julian Nagelsmann und Liverpool-Coach Jürgen Klopp nennt die dpa unter anderen auch ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick oder ruft in Erinnerung, dass der Oberösterreicher Oliver Glasner aktuell zu haben wäre.

Flick hat am Sonntag zunächst wie geplant das Training abgehalten. „Wir haben uns das alle sicherlich ein bisschen anders vorgestellt. Aber nichtsdestotrotz ist es für uns selbstverständlich, dass wir mit allen Spielern und allen Trainern hier sind und uns hier stellen“, sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler in einer Durchsage an die Fans. Flick denkt offenkundig nicht an Rücktritt und überraschte zuvor mit folgender Aussage: „Ich finde, wir machen es gut, und ich bin der richtige Trainer.“ Mit dieser Meinung steht Flick, der von den vergangenen fünf Länderspielen keines gewann und vier verlor, fast schon alleine da.

Enntäuschung bei Thomas Muller
Reuters/Lisi Niesner
Thomas Müller und Co. geben im Nationalteam derzeit ein erschreckendes Bild ab

Die Spieler betrieben Selbstkritik. Thomas Müller hielt nach seinem Kurz-Comeback fest: „Die Japaner spielen eine gute Rolle und gehören aktuell sicher zu den Top Zehn, Top 15 der Welt. Und wir gehören da aktuell nicht rein.“ Sein Bayern-Teamkollege Joshua Kimmich stellte ebenso die Qualitätsfrage in den Raum: „Wenn man so oft und über so einen langen Zeitraum die Qualität nicht auf den Platz bringt, müssen wir uns auch fragen, ob wir wirklich überall Topqualität haben.“

Die Frage, ob er noch der Überzeugung sei, dass Flick der richtige Trainer für die Heim-EM 2024 sei, beantwortete Kimmich nicht so klar: „Es geht nicht darum, mit dem Finger auf den Trainer oder sonst jemanden zu zeigen.“ Die Spieler müssten bei sich selbst beginnen. „Am Ende des Tages müssen wir dem Trainer vertrauen, dass er die richtigen Entscheidungen trifft, dass er weiß, was richtig und gut ist.“

Sportdirektor Völler vermeidet Bekenntnis

Sportdirektor Völler, der sich nach den Enttäuschungen im Juni (u. a. verlor man 0:2 gegen Kolumbien) noch deutlich vor Flick gestellt, vom festen Vertrauen und dem richtigen Weg gesprochen hatte, vermied am Samstagabend vorerst ein weiteres Bekenntnis.

„Wir tun alle gut daran, erst mal eine Nacht darüber zu schlafen“, sagte der einstige Teamchef. „Hansi Flick tut mir ein bisschen leid, wie das jetzt gelaufen ist.“ Das 1:4 sei eine Blamage. „In drei Tagen spielen wir gegen die beste Mannschaft Europas, das wird natürlich schwierig. Aber wir dürfen uns nicht in die Hose machen“, so Völler. Am Dienstag gastiert Vizeweltmeister Frankreich in Dortmund.

Hans-Joachim Watzke and Rudi Voeller
APA/AFP/Ronny Hartmann
Sportdirektor Völler (r.) bespricht sich mit DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke

Gegen Japan lag Deutschland nach einem von Antonio Rüdiger abgefälschten Schuss von Junya Ito früh zurück (11.). Leroy Sane gelang nach einer schönen Kombination zwar der Ausgleich (19.), doch Ayase Ueda sorgte drei Minuten später für die erneute Führung der Gäste. Takuma Asano (90.) und Ao Tanaka (90.+2) erzielten spät die weiteren Treffer. Japan hatte Deutschland schon bei der WM in Katar besiegt und das blamable Vorrunden-Aus der DFB-Auswahl eingeleitet.

Flick überrascht mit Aussagen

Flick erklärte danach, dass sich das Team gut vorbereitet habe und gut vorbereitet werde – auch, wenn es schwer nachvollziehbar sei. „Das werden wir auch weiter tun, da gibt es nichts dran zu deuteln. Das werden wir auch weiter so machen“, sagte Flick. „Wir sind überzeugt von dem, was wir machen. Deswegen geht es auch so weiter für mich.“

Spielszene Deutschland – Japan
AP/Martin Meissner
Flick verteidigt den eingeschlagenen Weg weiterhin

Gegen die motiviert und besser eingestellten Japaner war dramatisch schiefgegangen, was sich Flick ausgedacht hatte. „Sie werden nicht von mir hören, dass ich irgendeinen Spieler anprangere. Das sind Dinge, die wir intern besprechen“, sagte Flick, der aber von zu vielen individuellen Fehlern sprach. „Jeder Einzelne, der auf dem Platz war, möchte gegen Frankreich ein anderes Spiel zeigen. Das gibt mir Hoffnung, wir bereiten uns jetzt auf Dienstag vor“, sagte Flick nach seinem 25. Länderspiel, möglicherweise zugleich sein letztes.

Der Nachfolger von Langzeit-Coach Joachim Löw (2006–2021) startete seine Teamchefkarriere einst mit acht Siegen in Folge, einem deutschen Rekord. Danach folgten vier 1:1-Remis in Folge, Tiefpunkt war das neuerliche WM-Gruppen-Aus in Katar. In diesem Jahr gewann Deutschland von sechs Partien nur eine, im März gegen Peru (2:0).