Lewis Hamilton
IMAGO/eu-images
Formel 1

Mercedes von eigenem Auto entsetzt

George Russell hat noch während des Rennens seinen Frust über Funk herausgelassen. Das absolute Stimmungstief für das einst so erfolgsverwöhnte Team von Mercedes stand da aber noch bevor. „Ein Rennen zum Vergessen“, sagte Lewis Hamilton über den Grand Prix von Brasilien. Vernichtend gar fiel das Urteil von Teamchef Toto Wolff noch am Sonntagabend aus: „Dieses Auto verdient keinen Sieg.“ Zwei Rennen noch, dann müsse er hoffentlich nie wieder mit „diesem Ding“ fahren, erklärte Hamilton.

Vor einem Jahr war Mercedes der einzige Sieg in der Saison 2022 in Brasilien gelungen, Russell hatte auch das Sprintrennen für sich entschieden. Und nach dem Auftritt zuletzt in Austin und Mexiko-Stadt hatten die Silberpfeile Hoffnung geschöpft, in Interlagos wieder ganz vorn dabei sein zu können. Der Wunsch ging aber ganz und gar nicht in Erfüllung. Russell schied aus, Hamilton wurde in der zweiten Hälfte des Rennens durchgereicht und belegte Rang acht.

„Horrorshow“, schrieb das britische Boulevardblatt „The Sun“ am Montag deshalb in großen Lettern. „Lewis Hamilton und (George, Anm.) Russell erleben beim Großen Preis von Brasilien einen Alptraum, als bei (Max, Anm.) Verstappens Sieg Mercedes das Lächeln aus dem Gesicht gewischt wird.“ „The Guardian“ schrieb: „Der Kontrast zwischen Verstappen und Red Bull und Mercedes in Brasilien hätte nicht krasser sein und für noch mehr Unbehagen beim Zuschauen sorgen können.“

Toto Wolff
IMAGO/Marco Canoniero
Teamchef Toto Wolff ließ am Mercedes-Boliden nach dem Debakel in Brasilien kein gutes Haar

Retten, was noch zu retten ist

Eine unentschuldbare Leistung konstatierte Wolff unumwunden. Ihm würden die Worte fehlen. Allerdings fand der 51-jährige Wiener sie schnell wieder: „Das Auto hat sich angefühlt wie auf drei, nicht vier Rädern.“ Was sie aus dem zweiten Platz von Hamilton eine Woche vorher in Mexiko gemacht hätten, „war schrecklich“, sagte Wolff vor der Abreise. Aufarbeitung ist angesagt, um zu retten, was noch zu retten ist. In weniger als zwei Wochen steht das spektakuläre Comeback in Las Vegas an, danach das Finale in Abu Dhabi.

Platz zwei für Hamilton im WM-Klassement ist bei 32 Punkten Rückstand auf Sergio Perez kaum mehr drin. Seit fast zwei Jahren wartet der 103-malige Grand-Prix-Gewinner nun schon auf seinen nächsten Sieg. Und in der Konstrukteurswertung liegt Mercedes als Zweiter nur 20 Punkte vor Ferrari. Es ist das Klassement, das über viel Geld entscheidet und Mercedes von 2014 bis 2021 achtmal in Serie für sich entschied. Die Zeiten sind vorbei. Red Bull ist das neue Mercedes und räumt ab.

Russell stichelt am Boxenfunk

Dass bei den Silberpfeilen das Verhältnis zwischen den beiden Piloten manchmal schnell verwundbar scheint, erleichtert es nicht. Als Russell vergeblich darauf wartete, vom Team an Hamilton vorbeigelotst zu werden, der ihn aus seiner Sicht nur aufhielt, stichelte der 25-Jährige via Funk an den Kommandostand: „Arbeiten wir hier zusammen oder fährt jeder sein eigenes Rennen?“ Die Antwort: „Wir diskutieren noch.“

Für Russell erledigten sich die Diskussionen, als seine Motoreneinheit zu heiß wurde und er den Wagen in der Garage abstellen musste. „Es tut mir leid für sie, dass sie mit einem so schwierigen Auto fahren mussten“, sagte Wolff: „Das Auto ist die ganze Zeit auf des Messers Schneide, und wir müssen sicherstellen, dass wir dieses Problem in der Entwicklung des nächstjährigen Autos in den Griff bekommen.“