Radsport

Kiesenhofer erobert sensationell Gold

Anna Kiesenhofer hat am Sonntag mit einer wahren Meisterleistung österreichische Sportgeschichte geschrieben. Die 30-Jährige holte sich sensationell die Goldmedaille im Radstraßenrennen der Damen. Nach 3:52:40 Stunden überquerte Kiesenhofer um 17.14 Uhr Ortszeit die Ziellinie. Gleich nach dem Start initiierte sie eine fünfköpfige Spitzengruppe, ließ in der Folge die Mitstreiterinnen auf der 137-km-Strecke zurück und triumphierte nach einer 41-km-Solofahrt.

Die gebürtige Weinviertlerin holte das erste Olympiagold im Radsport für Österreich seit Adolf Schmal 1896 im Zwölfstundenrennen in Athen und die erste Goldene seit den zwei Siegen durch Triathletin Kate Allen und die Tornado-Segler Roman Hagara/Hans Peter Steinacher 2004 in Athen. Im Ziel auf dem Fuji-Speedway triumphierte sie mit mehr als einer Minute Vorsprung vor der Niederländerin Annemiek van Vleuten.

Die Mathematikerin Kiesenhofer düpierte mit dem frühen Angriff und dem Durchhalten bis ins Ziel, das im modernen Radsport seinesgleichen sucht, die von den Niederländerinnen angeführte Konkurrenz. Die Asse wie Rio-Olympiasiegerin Anna van der Breggen und Ex-Weltmeisterin van Vleuten verrechneten sich, sie hatten die ihnen weitgehend unbekannte Wissenschaftlerin und Rad-„Amateurin“ offensichtlich unterschätzt.

Die österreichische Radfahrerin Anna Kiesenhofer.
APA/AFP/Michael Steele
Anna Kiesenhofer lieferte mit einer extrem mutigen und für die Konkurrenz überraschenden Taktik das Rennen ihres Lebens

„Es fühlt sich unglaublich an. Ich konnte es nicht glauben. Selbst als ich die Ziellinie überquert habe, habe ich mir gedacht: Ist es wirklich aus? Muss ich noch weiterfahren?“, sagte eine fassungslose Kiesenhofer nach ihrem Coup. „Die Goldmedaille gefällt mir super. Ich hatte noch nie so eine schwere Medaille. Es hat alles gepasst. Im Straßenrennen spielt Glück eine Rolle. Ich hatte den Mut zu attackieren, war die Stärkste der Gruppe und bin weggefahren. Am Ende war ich die Beste.“

Als Hobbysportlerin zu Gold

Kiesenhofer hatte die 2017 begonnene Profikarriere bei einem belgischen Team noch im selben Jahr wieder beendet. „Ich habe gemerkt, dass der Profisport für mich ein zu großer körperlicher und psychischer Stress ist und ich lieber nur Hobbysport mache“, betonte sie im Vorfeld der Spiele.

Es folgten zwei Jahre ohne Rennen und ab 2019 ein Neubeginn mit jeweils nur ausgewählten Bewerben. Neben einem internationalen Sieg bei der Ardeche-Rundfahrt 2016 hat sie „nur“ Erfolge in der Heimat vorzuweisen, zuletzt drei ÖRV-Titel im Einzelzeitfahren und einen 2019 im Straßenrennen.

Von Beginn an in Führung

Der 55 kg leichten Österreicherin, im Teamauto von Nationaltrainer Klaus Kabasser betreut, fehlt die Erfahrung von großen Straßenrennen. Im engen Pulk fühlt sie sich nicht so wohl. Daher fuhr sie die ersten, neutralen Kilometer bis zum Start auch einige Meter hinter dem Feld. Doch nachdem das Rennen bei 34 Grad Hitze auf dem hügeligen Kurs mit dem Fuji Sanroku (1.451 m) als höchstem Punkt freigegeben war, trat Kiesenhofer gleich voll an.

Im Finish kamen der Wahl-Schweizerin die Qualitäten im Einzelzeitfahren zugute. Für diese Disziplin hatte Österreich aber für die Sommerspiele keinen Quotenplatz erhalten. „Wenn ich tauschen könnte, wäre mir das Einzelzeitfahren lieber“, hatte Kiesenhofer vor ihrem Start zur APA gemeint. Diese Ansicht hat sie am Sonntag mit einer der größten Überraschungen in diesem Sport wohl revidiert.

Straßenrennen:
1. Anna Kiesenhofer AUT 3:52:45
2. Annemiek van Vleuten NED + 1:15
3. Elisa Longo Borghini ITA 1:29
4. Lotte Kopecky BEL 1:39
5. Marianne Vos NED 1:46
6. Lisa Brennauer GER -"-
7. Coryn Rivera USA -"-
8. Marta Cavalli ITA -"-