Sarah Fischer
APA/Markus Koch
Gewichtheben

Fischer trifft auf erste Transgender-Athletin

Sarah Fischers Weg zu den Olympischen Spielen ist ein beschwerlicher gewesen. In Tokio peilt die Niederösterreicherin in der Kategorie über 87 kg einen Top-Ten-Platz an. „Das ist auch möglich“, sagte Fischer. Viel mehr aber nicht, denn ihre Klasse ist die nach oben offene Gewichtsklasse. Eine der Konkurrentinnen Fischers ist Laurel Hubbard, die als erste Transgender-Athletin bei Spielen aber nicht ganz unumstritten ist.

Regulär hatte sich Fischer nicht für die Sommerspiele qualifiziert, nach einer Nichtnominierung einer anderen Athletin rückte sie aber ins Feld nach. Am 5. Juli folgten ein positiver Coronavirus-Test und das Bangen um die Entsendung. Letztlich ging zu Wochenbeginn ihr Flugzeug nach Tokio, für Montag (12.50 Uhr MESZ) ist ihr Bewerb angesetzt.

Während die ÖOC-Athletin in ihrer Gewichtsklasse gerade über dem unteren Limit ist, haben einige der Konkurrentinnen 150, 160 kg. „Die ersten acht sind daher unter sich“, erklärte Fischer. Zwischen dieser Gruppe und den anderen seien im Zweikampf-Ergebnis rund 20 kg Unterschied. Für Fischer selbst wäre ein Ergebnis von 230 kg ein gutes.

Bestleistung liegt bei 234 kg im Zweikampf

„Wenn ich das schaffe, bin ich sicher von den Unteren die Beste – also Neunte oder Zehnte“, sagte sie. 14 Aktive sind dabei, Fischer reißt und stößt mit neun anderen in der A-Gruppe. Auch aus der B-Gruppe kann man in die Medaillenränge kommen, aber nur theoretisch. Fischers Bestleistungen liegen im Reißen bei 105 kg und im Stoßen bei 132 kg sowie im Zweikampf bei 234 kg. In dieser Saison lief es für sie noch nicht so gut, bei EM-Platz sieben im April in Moskau kam sie auf 99/123-222 kg.

Sie habe versucht, sich sowohl in der Klasse bis 87 als auch über 87 zu qualifizieren, so Fischer. Letzteres ist es schließlich geworden. Damit erfüllte sie sich ihren Traum. „Von Olympia träume ich, seit ich mit Papa das erste Mal auf einem Wettkampf war“, erzählte die 20-Jährige. „Das war schon immer das Ziel. Ich habe jetzt über zehn Jahre darauf hintrainiert.“ Vater Ewald trainiert seine Tochter, ist stolz auf sie und dass sie bei den Spielen dabei ist. „Das ist schon ein Highlight für sie. Sie ist voll motiviert und super drauf, das Lächeln ist wieder in ihren Augen“, so Fischer senior.

Ewald Fischer und Sarah Fischer (AUT)
GEPA/Markus Oberlaender
Sarah Fischer (r.) und Vater Ewald fiebern dem Olympia-Debüt entgegen

Coach Fischer ist in Tokio dabei und wird am Dienstag mit Sargis Martirosjan in der Klasse über 109 kg auch den männlichen Gewichtheber in der ÖOC-Equipe mitbetreuen. Seine schon hochdekorierte Tochter wird daher auch einen Tag vor ihm zurück nach Österreich fliegen. 27 EM- oder WM-Medaillen hat Sarah Fischer schon geholt, fünf davon in der allgemeinen Klasse. Laut ihrem Vater gab es 306 nationale Rekorde und 22 Staatsmeistertitel. „Das zeigt schon, wie gut sie ist.“

Hubbards Antreten in Tokio umstritten

Das Gesprächsthema im Gewichtheben ist aber Laurel Hubbard. Die Teilnahme der Neuseeländerin als erste Transgender-Athletin bei Olympischen Spielen ist umstritten. Kritiker hatten infrage gestellt, ob das Antreten der Neuseeländerin gegen Frauen fair sei. IOC-Präsident Thomas Bach hatte mitgeteilt, dass Hubbard unter den bestehenden Regeln antreten könne. Diese würden aber in Zukunft überprüft.

Laurel Hubbard
Reuters/Paul Childs
Hubbard schreibt als erste Transgender-Athletin bei Olympischen Spielen Geschichte

„Ich verstehe, dass für Sportbehörden nichts so einfach ist, wie dem gesunden Menschenverstand zu folgen, und dass es bei der Untersuchung eines so seltenen Phänomens viele Unwägbarkeiten gibt. Aber für die Sportler fühlt sich das Ganze wie ein schlechter Witz an“, sagte die Belgierin Anna Van Bellinghen, die wie Fischer in Hubbards Gewichtsklasse startet, vor Kurzem dem Onlineportal Insidethegames.

Kritik von Konkurrentin

Van Bellinghen betonte, dass sie die Transgender-Gemeinschaft voll unterstütze und nicht die Identität von Athleten ablehne. „Jeder, der Gewichtheben auf hohem Niveau trainiert hat, weiß jedoch ganz genau, dass diese besondere Situation für den Sport und die Athleten unfair ist“, befand sie. Ein rechtlicher Rahmen für die Teilnahme von Transgender-Athleten sei sehr schwierig, „da es eine unendliche Vielfalt an Situationen“ gebe, sagte Van Bellinghen weiter. Und es sei ohnehin wahrscheinlich unmöglich, „eine völlig zufriedenstellende Lösung zu finden, egal von welcher Seite der Debatte.“

Das IOC schreibt vor, dass das Testosteronniveau einer zur Frau erklärten Person vor dem Wettkampf für mindestens zwölf Monate bei höchstens zehn Nanomol pro Liter Blut liegen darf. Der Leichtathletikweltverband hat einen anderen Wert ausgegeben, und dieser liegt nur bei der Hälfte, also fünf Nanomol. Das IOC hat den Weg für Transgender-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer schon vor Jahren geebnet. Ein neuer Rahmen für den Umgang mit Transpersonen kommt innerhalb der nächsten zwei Monate, daran sollen sich die Einzelverbände dann orientieren.

Hubbard: „Ich bin nur ich“

Vor ihrer Geschlechtsanpassung hatte Hubbard 1998 eine Zweikampfbestleistung von 300 kg gehabt, 2019 wies sie eine Zweikampfbestleistung von immer noch 285 kg auf. „Laurel Hubbard ist eine Frau und hat sich unter den Bedingungen des IWF (Weltverband) qualifiziert“, erklärte IOC-Chefarzt Richard Budget. „Wir müssen ihren Mut und ihre Hartnäckigkeit würdigen, dass sie tatsächlich an den Wettkämpfen teilgenommen und sich für die Spiele qualifiziert hat.“

Die Aufmerksamkeit bei Hubbards erstem Olympiaauftritt wird groß sein. Das Scheinwerferlicht sucht sie nicht, schon gar nicht möchte sie als Vorreiterin wahrgenommen werden oder irgendjemanden bekehren. „Ich glaube nicht, dass ich mutiger als andere bin“, sagte Hubbard, die sich kurz vor ihrem Start noch beim IOC für dessen Engagement bedankte. „Ich bin nur ich.“