Mikaela Shiffrin sitzt enttäuscht auf der Piste
AP/Robert F. Bukaty
Ski alpin

Olympischer Alptraum für Superstar Shiffrin

Mikaela Shiffrin hinkt ihren eigenen Ansprüchen bei den Winterspielen in China weit hinterher. Nach ihrem frühen Ausfall im Riesentorlauf patzte die US-Amerikanerin auch im Slalom am Mittwoch, nach wenigen Toren war sie erneut draußen. Der sportliche Alptraum der Weltcup-Gesamtführenden ging damit weiter. Bittere Tränen der Enttäuschung waren die Folge.

„Es ist nicht das Ende der Welt und es ist dumm, das so wichtig zu nehmen“, sagte die 26-Jährige. „Aber ich glaube, ich muss jetzt vieles hinterfragen.“ Gerne würde sie ihren vor gut zwei Jahren verstorbenen Vater Jeff anrufen, sagte Shiffrin. „Er würde mir wahrscheinlich sagen, ich solle einfach darüber hinwegkommen“, meinte sie. „Aber er ist nicht hier, um das zu sagen.“

Innerhalb von drei Tagen hat die zweifache Olympiasiegerin nun schon zwei weitere große Medaillenchancen liegen gelassen, der Arbeitstag war jeweils früh beendet. Im Riesentorlauf nach elf, im Slalom sogar schon nach fünf Sekunden. „Auf dem Riesentorlauf und dem Slalom lag der Fokus, es fühlt sich wirklich an wie viel Arbeit für nichts.“ Weitere Starts will sie nun vielleicht überdenken. „Wenn ich beim fünften Tor hinausfahre, was bringt es dann?“, fragte Shiffrin und ergänzte: „Wir haben Athletinnen, die die Lücke füllen können.“ Geplant wären Starts in allen Bewerben gewesen.

Aus für Shiffrin

Nach wenigen Fahrsekunden schied Mikaela Shiffrin auch im Slalom aus. Minutenlang saß die US-Amerikanerin danach frustriert und traurig im Schnee.

Reset-Knopf nicht gefunden

Es war der zweite Ausfall von Shiffrin im Slalom in dieser Saison nach Kranjska Gora, der davor letzte war im Jänner 2018 in Lenzerheide passiert. Im Riesentorlauf war sie vor Olympia zuletzt im Jänner 2018 in Kronplatz nicht ins Ziel gekommen. Sie werde versuchen, noch einmal den Reset-Knopf zu drücken, kündigte sie an. „Vielleicht gelingt es mir diesmal besser“, sagte sie. Auch, wenn sie nicht genau wisse, wie.

Shiffrin, normal die Konstanz in Person, kennt solche Situationen nicht. „Natürlich ist der Druck groß, aber das war nicht das größte Thema“, sagte sie. „Ich wollte die aggressivste Linie fahren“, analysierte sie ihren kurzen Lauf. Womöglich hat sie es mit ihrer Attacke übertrieben. „Ich bin mit starker Mentalität gestartet – dann war ich draußen“, sagte sie. „Es ist enttäuschend.“

Liebesbotschaft von Kilde

Mit einer Liebesbotschaft versuchte Lebensgefährte Aleksander Aamodt Kilde, die US-Amerikanerin mental zu unterstützen. „Wenn man sich dieses Bild anschaut, kann man sich so viele Aussagen, Bedeutungen und Gedanken machen. Die meisten von euch sehen es wahrscheinlich mit den Worten: ‚Sie hat es verloren‘, ‚Sie kann mit dem Druck nicht umgehen‘ oder ‚Was ist passiert?‘“, schrieb der Norweger auf Instagram zu einem Foto, das Shiffrin traurig im Schnee sitzend zeigt.

Ihn frustriere das, schrieb Kilde. „Ich sehe nur eine Spitzensportlerin, die tut, was eine Spitzensportlerin tut! Es ist ein Teil des Spiels und es passiert. Der Druck, den wir alle im Sport auf Einzelpersonen ausüben, ist enorm, also lasst uns die gleiche Unterstützung zurückgeben. Es dreht sich alles um das Gleichgewicht, und wir sind ganz normale Menschen! Ich liebe dich, Kaela“, so der 29-Jährige, der am Vortag im Super-G Bronze holte.

Tröstende Worte von Vonn

Der Slalom ist Shiffrins absolute Paradedisziplin. Neben Olympiagold 2014 holte sie hier schon vier WM-Titel und 47 Weltcup-Siege – mehr als jedes andere Ski-Ass in einer Disziplin. „Das nimmt nichts weg von ihrer noch immer herausragenden Karriere. Dieses eine Rennen ändert daran nichts“, sagte ihre Landsfrau Lindsey Vonn nach Shiffrins Aus im Torlauf.

Die 2019 zurückgetretene Vonn ist mit 82 Weltcup-Siegen die einzige, die in der ewigen Bestenliste der Damen noch vor Shiffrin (73) liegt. Medaillen bei Olympia haben sie beide jeweils drei – Shiffrin zwei goldene, Vonn eine. Shiffrins nächste Chance auf die vierte Medaille ist vermutlich der Super-G am Freitag (4.00 Uhr MEZ, live in ORF1).