Franco Morbidellis Motorrad fliegt an Valentino Rossi (Yamaha) vorbei
Screenshot/twitter.com/MotoGP
Motorrad

Spielberg schrammt an Fiasko vorbei

Nach den haarsträubenden und gefährlichen Unfällen beim Grand Prix von Österreich am Sonntag ist eine Sicherheitsdebatte in der Motorrad-WM entstanden. Im Mittelpunkt stand Kurve drei des Hochgeschwindigkeitskurses in Spielberg, die von einigen Piloten als gefährlich betrachtet wird. Einig war man sich jedenfalls, dass am Crash-Sonntag nur Riesenglück ein Desaster verhinderte.

Etwa, als das Motorrad von Hafizh Syahrin in der Moto2 bei einer Vollgaskollision mit einem auf der Strecke liegenden Bike zerrissen wurde. Dass der Malaysier mit starken Prellungen davonkam, grenzte an ein Wunder. Als danach Valentino Rossi und Maverick Vinales in der MotoGP von den außer Kontrolle geratenen Bikes von Johann Zarco und Franco Morbidelli nur knapp verfehlt wurden, schrillten in Spielberg endgültig die Alarmglocken.

Dieser Vorfall hätte wie einst für Luis Salom und Marco Simoncelli auch tödlich enden können. Dass Morbidelli Zarco wegen dessen den Unfall auslösenden Manövers als „halben Mörder“ bezeichnete, war der ersten Emotion geschuldet. „Der Unfall war sehr beängstigend“, sagte Miguel Oliveira. Man habe schon am Freitag in der Sicherheitskommission gewarnt, dass in Kurve drei nicht nur bei Regen nicht genügend Auslauf sei und dass jemand von anderen Motorrädern getroffen werden könnte, sagte der portugiesische KTM-Fahrer über den Bergauf-Rechtsknick, der bei über 300 km/h angebremst wird.

Sicherheitsdebatte nach Spielberg-Crashs

Nach den haarsträubenden und gefährlichen Unfällen beim Grand Prix von Österreich am Sonntag ist eine Sicherheitsdebatte in der Motorrad-WM entstanden.

Kritiker melden sich lautstark zu Wort

Cal Crutchlow ist schon länger ein Kritiker des Red Bull Rings mit seinen mehr als 50-prozentigen Vollgasanteil. Man könne die Situation nur durch eine radikale Änderung dieser Stelle verbessern, sagte der Brite nun. Stefan Bradl sagte: „Es ist gut, dass es nun Sicherheitsdiskussionen gibt. Denn die MotoGP hatte sehr lange sehr viel Glück. Über diese Kurve muss man sprechen, vor allem wenn es nass ist“, warnte auch der deutsche Ersatzpilot für den verletzten Weltmeister Marc Marquez. „Das hätte auch tragisch enden können.“

Für ihn gehe es in puncto Sicherheit aber weniger um die Strecke als um das Verhalten und die Fahrweise der Piloten, so Bradl. Dort hakte auch Rossi mit seinem Ärger über Zarcos Fahrweise bzw. Linienwahl ein. Aggressiv zu fahren sei das eine, sagte der „Dottore“: „Aber wenn man dabei den Respekt für den Gegner vergisst, wird es unverantwortlich“, sagte der neunfache Weltmeister.

Sturz überschattet Dovizioso-Sieg

Beim MotoGP in Spielberg hat sich Andrea Dovizioso den Sieg gesichert. Das Rennen wurde allerdings von einem schweren Sturz überschattet, der glücklicherweise glimpflich ausging.

Wenn Motorräder zu Raketen werden

Auch Rennleiter Andreas Meklau war bewusst, dass man glimpflich davongekommen war. Die 160 Kilo schweren Bikes von Morbidelli und Zarco waren nach dem Crash der beiden ungebremst weitergerutscht bzw. führerlos durch das Kiesbett gerast und hätten Vinales und Rossi auch voll treffen können. Wie die Unfallvideos zeigten, fehlten dafür nur Zentimeter bzw. Sekundenbruchteile. Ein Bike etwa wurde erst nach dem Einschlag in den Air-Fence in die Luft geschleudert. „Ich habe zuerst gedacht, es ist der Hubschrauber“, sagte Rossi. „Es war angsterregend, entsetzlich. Ein potenzielles Desaster.“

„Ab und zu braucht es einfach Schutzengel“, sagte Meklau. Er habe so etwas in zehn Jahren noch nicht gesehen. „Da ist viel zusammengekommen. Wenn ein derartiger Unfall bei 300 km/h passiert, kannst du Sturzraum haben, so viel du willst. Dann werden Motorräder zu unkontrollierten Raketen, da hilft kein Auslauf mehr. Dann brauchst du nur noch Glück“, war dem ehemaligen Rennfahrer bewusst.

Suche nach möglichen Lösungen

Wichtig sei, das Geschehene nun rasch zu analysieren, Daten zu checken und mit den Fahrern zu sprechen, riet der Österreicher. Schon in wenigen Tagen wird auf dem Red Bull Ring wieder gefahren, am Sonntag steht mit dem GP der Steiermark coronavirusbedingt das zweite Österreich-Rennen binnen sieben Tagen auf dem Programm.

Bis dahin wird nach Lösungen gesucht. „Schön wäre, man könnte auf einen Knopf drücken, und alle Motorräder würden in kritischen Momenten automatisch langsamer werden“, so Meklau. „Aber dann wäre es ein Computerspiel. Man muss sich einfach bewusst sein, dass Rennsport gefährlich ist.“

Restrisiko nicht zu vermeiden

Trotz allem müsse man natürlich nachdenken, was selbst bei einer so modernen Rennstrecke wie dem Red Bull Ring zu tun sei. „Die Strecke wird homologiert, modifiziert, Sturzräume werden berechnet und jedes Jahr immer wieder aufs Neue verbessert und sicherer gemacht“, so Meklau. „Aber ab und zu gibt es eben Situationen, die einfach unglaublich sind. Hätte Morbidellis Bike nicht im letzten Moment abgehoben, wäre es durchgefahren wie ein Messer.“

Dass eine Schikane vor Kurve drei eine Lösung wäre, verneinte Meklau eher. Der Red Bull Ring ist mit einem Rennschnitt von über 182 km/h eine der schnellsten MotoGP-Pisten. „Das Tempo macht diese Strecke ja erst aus. So etwas kann überall ungünstig und blöd ausgehen“, ist Meklau überzeugt. „Man wird natürlich nun wieder reden, was man ändern kann. Irgendwo sind einem aber auch bauliche Grenzen gesetzt.“