Eishockey-WM

„Geschenk“ liegt zum Öffnen bereit

Nach mehr als einem Monat Vorbereitung wird es für Österreich am Samstag (11.20 Uhr, live in ORF Sport +) bei der A-WM in Finnland mit dem Duell gegen Schweden ernst. Der Ausschluss von Russland und Belarus ermöglichte den 2019 abgestiegenen Österreichern die Chance, sich mit der Elite zu messen. Trotz der tragischen Umstände will Teamchef Roger Bader die Gelegenheit beim Schopf packen. „Ich habe ein gutes Gefühl“, so der Schweizer, der anders als noch vor drei Jahren das Glück erzwingen will.

Mitte März ließ der Internationale Eishockeyverband (IIHF) die Katze offiziell aus dem Sack und bestätigte die WM-Teilnahme Frankreichs und Österreichs als Ersatz für den Aggressor im Ukraine-Krieg Russland und dessen Verbündeten Belarus. Als nomineller Ersatz für Belarus, vor drei Jahren Aufsteiger, spielt Österreich in Gruppe B im Hauptspielort Tampere, etwas mehr als zwei Autostunden von Helskini entfernt.

Gruppe B steht in diesem Fall für „bärenstark“, denn neben dem zehnfachen Weltmeister Schweden warten noch Gastgeber und Olympiasieger Finnland, der sechsfache Weltmeister Tschechien und die Großmacht USA sowie die A-Gruppen-Dauergäste Norwegen und Lettland auf die Österreicher, ehe im letzten Gruppenspiel am 23. Mai der Showdown gegen dem Abstieg gegen Großbritannien ansteht.

ÖEHV-Team geht optimistisch in WM

Am Samstag beginnt für Österreichs Eishockeynationalteam der Männer bei der A-Weltmeisterschaft in Finnland die Mission Klassenerhalt. Die Gegner sind stark, dennoch ist der Optimismus bei den Österreichern groß.

„Wir werden wie immer unser Bestes geben und als Trainerstab die Mannschaft mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln vorbereiten, dass es klappt. Es ist ein Geschenk, dass wir nutzen wollen, auch wenn die Umstände aufgrund des Krieges in der Ukraine tragisch sind. Ich bin überzeugt davon, dass wir den Klassenerhalt schaffen“, sagte Bader im Gespräch mit ORF.at und gab sich vor der WM betont optimistisch. Der Weg, den die Österreicher gehen müssen, damit sich die Geschichte von Kopenhagen 2018 und nicht jene von Bratislava 2019 wiederholt, scheint vorgezeichnet.

Testpielform mitnehmen

Insgesamt neun Testspiele standen in der Vorbereitung auf dem Programm. Die größte Aussagekraft dabei hatten wohl die letzten vier. Gegen die WM-Gegner Schweden, Finnland und Tschechien sowie zum Abschluss gegen Deutschland setzte es zwar Niederlagen, von den von Bader erwarteten „kalten Duschen“ war man jedoch weit entfernt. „Die Vorbereitung verlief sehr gut, ich würde sogar sagen super“, fasste daher auch Kapitän Thomas Raffl das Gezeigte zusammen.

Eishockey-Begegnung im Rahmen des 4-Nationen-Turniers zwischen Österreich und Schweden in Wien
APA/Helmut Fohringer
Im Test gegen den elffachen Weltmeister Schweden verkauften sich Lebler (vorne) und Co. unerwartet gut

Mit einer ähnlichen Leistung wie bei der 0:1-Niederlage gegen die Schweden und dem 2:4 gegen Olympiasieger Finnland ist nicht nur der Sieg im entscheidenden Spiel gegen die Briten kein zu hoch gestecktes Ziel, auch gegen Norwegen und Lettland wäre damit etwas zu holen. „An einem perfekten Tag ist auch gegen Norwegen und Lettland etwas drin“, so Bader, der allerdings vor zu viel Euphorie warnt: „Diese beiden Nationen sind seit 15 Jahren durchgehend in der A-Gruppe, und das hat schon seinen Grund.“

Frischen Wind nutzen

Die Erfahrung vieler Norweger und Letten auf A-Niveau fehlt Österreichs Team heuer nicht nur aufgrund des ewigen Auf und Ab zwischen A- und B-Gruppe. Denn Teamchef Bader setzt beim Turnier in Finnland mehrheitlich auf Debütanten. 14 der 25 Spieler im Aufgebot haben eine Weltmeisterschaft bisher nur als TV-Zuschauer erlebt.

Die mangelnde Erfahrung soll aber durch Talent ausgeglichen werden. So feiert etwa mit dem erst 18-jährigen Schweden-Legionär Marco Kasper ein Spieler seine WM-Premiere, der im Draft-Ranking der National Hockey League (NHL) unter den europäischen Spielern als Nummer fünf zu finden ist. In der Verteidigung sind von neun Spielern gleich sieben zum ersten Mal bei einer WM mit von der Partie.

Dazu zahlte es sich aus, dass Spieler, die bei ihren Clubs in der heimischen ICE Hockey League einmal nur Ergänzungsspieler waren, in der Vorbereitung im Team mehr Vertrauen erhielten. „Viele Spieler, die bei ihren Teams nicht die größten Rollen inne haben, haben den nächsten Schritt gemacht und sich an das schnellere internationale Tempo gewöhnt“, sagte auch Kapitän Raffl und lobte den Fortschritt des Teams von Testspiel zu Testspiel.

Torhüter mit Spielpraxis

Hoffnung auf eine erfolgreiche WM gibt die etwa im Vergleich zum Abstieg 2019 deutlich höhere Spielpraxis der Torhüter. Vor drei Jahren bildeten Bernhard Starkbaum, David Kickert und David Madlener zwar ebenfalls das Goalietrio, doch reisten alle drei damals als Ersatzleute ihrer Clubs nach Bratislava. Heuer wechselten sich zumindest Starkbaum und Kickert bei den Vienna Capitals ab und kamen so auf dringend benötigte Einsatzminuten.

Ramon Schnetzer, Marco Sanna und Bernhard Starkbaum
GEPA/Amir Beganovic
Starkbaum, hier im Testspiel gegen Italien, könnte bei der WM in Finnland wieder ein entscheidender Faktor sein

Für den Teamchef ist nach oben aber noch gehörig viel Luft. „Die Ausgangslage ist natürlich besser als etwa vor drei Jahren, aber die Situation nach wie vor unbefriedigend“, sagte der Schweizer und verwies auf die Einsatzstatistik. Insgesamt absolvierte Österreichs Torhütertrio in der ICE-Liga 64 Spiele im Grunddurchgang. Auf diese Zahl käme etwa sein Landsmann und Schweizer Teamgoalie Leonardo Genoni beim EV Zug alleine, so Bader. Aber gerade Starkbaums Formkurve gibt allen Grund zur Hoffnung, denn der 36-Jährige war etwa gegen Schweden und Deutschland der erhoffte Rückhalt.

Äußere Umstände ausblenden

So groß die Freude über das „Geschenk“ WM-Teilnahme bei Teamchef Bader war, so ernüchternd war der Blick auf den Spielplan, in dem dieses verpackt war. Denn als Ersatz für Belarus hat Österreich im Vergleich zu Frankreich – dem offiziellen Ersatz für Russland – mit zehn gleich zwei Tage weniger Zeit, um seine sieben Spiele zu absolvieren. „Das ist eine unglaubliche Belastung, die es sonst in wohl keinem Sport bei einem Turnier gibt“, sagte Bader. Allerdings haben die Österreicher diesmal anders als 2019 vor dem entscheidenden Spiel frei. „Wir haben einen Ruhetag und werden den auch zu nutzen wissen“, so der Teamchef.

Der dicht gedrängte Spielplan muss jedenfalls genauso ausgeblendet werden wie ein Nachweinen der Zuteilung der Ersatzteams. Denn in Gruppe A blieben Kanada, die Slowakei und die Schweiz als die „Großen“ übrig. Gegen die Slowaken und die Schweizer konnte Österreich bei den jüngsten Turnieren öfters überraschen. Dazu kommen Deutschland – dem Österreich im letzten Test auf Augenhöhe begegnete – sowie Dänemark und Kasachstan. Zwei Nationen, die auf einer Stufe mit Österreich angesiedelt sind. „Wenn wir anstelle von Frankreich gewesen wären, dann hätten wir mit Sicherheit die leichtere Gruppe“, so Bader.

Dass die Österreicher in ihrer Gruppe mit den Briten nur einen Gegner haben, gegen den man nicht als Underdog aufläuft, darf keine Rolle spielen – und sollte für einen österreichischen Eishockeyspieler auf A-Niveau normal sein: „Eine Nation wie Österreich wird bei einer A-WM immer diesen einen Gegner haben, den es schlagen muss. Das wäre auch nicht anders gewesen, wenn wir 2019 nicht abgestiegen wären, und wird auch beim nächsten Mal nicht anders sein, sollten wir den Klassenerhalt schaffen“, sagte der Teamchef.

Nicht in der Vergangenheit leben

Apropos Klarstellung: Für Bader hatte auch die Vergangenheit keinen Platz in der Vorbereitung. Vor allem der letzte Abstieg bei der WM 2019 in der Slowakei, als das Glück kein Österreicher war. Trotz Überlegenheit gegen Italien wollte der Puck nicht ins Tor. Im Penaltyschießen landete der möglicherweise entscheidende Versuch von Dominique Heinrich bezeichnenderweise an der Latte. Dann wäre seine Mannschaft gefeiert worden, ohne „auch nur ein um ein Prozent besseres Turnier gespielt zu haben“, rief Bader in Erinnerung.

Die kommende WM in Finnland sei weder mit jener beim erfolgreichen Klassenerhalt 2018 als auch mit der missglückten vor drei Jahren zu vergleichen, so der Teamchef. Vor allem weil diesmal 14 Debütanten mit von der Partie sind, die für den Abstieg 2019 schon überhaupt nichts dafür können. Die Gefahr, dass das „Geschenk“ unausgepackt zurückgeschickt wird und Österreich im kommenden Jahr dann doch wie ursprünglich vorgesehen in der B-Gruppe spielen muss, sei real, so der Teamchef: „Man braucht auch im richtigen Moment das Glück auf seiner Seite.“ Eines hat der 57-Jährige aber schon vor dem ersten Bully: ein gutes Gefühl.