Jubel von Junior Adamu, David Alaba und Stefan Posch
GEPA/David Bitzan
Fußball

ÖFB-Team geht mit Knall in Pause

Österreichs Fußballnationalteam hat sich mit der bisher besten Leistung in der Amtszeit von Teamchef Ralf Rangnick aus dem Länderspieljahr 2022 verabschiedet. Der 2:0-Sieg gegen den regierenden Europameister Italien überzeugte am Sonntag nicht nur vom Ergebnis her, sondern auch durch das Wie. „Es war ein sehr positives Signal, auch ein lautes“, sagte ÖFB-Kapitän David Alaba, der mit seinem Treffer einen Knall produzierte.

Zwar bilanzierte Österreich erstmals seit 2016 in einem Länderspieljahr negativ (drei Siege, zwei Remis, fünf Niederlagen), allerdings spielte man in sieben Partien gegen Top-Zwölf-Nationen. Aussagekräftiger waren die Leistungen gegen diese Teams, und die machen Hoffnung – allen voran der Sieg gegen die Italiener vor nur 18.000 Fans in Wien.

„Das Spiel hat gezeigt, dass mir mit der Truppe, wenn sie die Leistung regelmäßig auf den Platz bringt, absolut nicht bange ist“, resümierte Rangnick nach dem ersten Erfolg des ÖFB-Teams gegen Italien seit 1960. Mit Mut und Aggressivität wurden die Weltranglistensechsten nicht nur in Schach gehalten, sondern früh die Weichen auf Sieg gestellt, der am Ende durchaus auch höher hätte ausfallen können.

Schritt in die richtige Richtung für ÖFB-Team

Mit einem positiven Gefühl geht Österreichs Fußballnationalteam in die Winterpause und in das kommende Jahr. Der 2:0-Sieg über Europameister Italien soll nur ein weiterer Schritt in die richtige Richtung gewesen sein.

„Das war ein Zeichen an die Fans, an die Medien, an die Öffentlichkeit, nämlich dass wir etwas vorhaben“, sagte Offensivspieler Christoph Baumgartner. Alaba fügte hinzu: „Es steckt das Potenzial in uns, solche Spiele abzuliefern. Wir sind in einem Prozess, auf dem richtigen Weg.“ Dieser soll im nächsten Jahr zunächst zu einer erfolgreichen Qualifikation für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland führen.

Italien die Schneid abgekauft

Rangnick gab vor den beiden abschließenden Testspielen in diesem Jahr zwei Siege als Ziel aus, und nach dem zähen 1:0 gegen Underdog Andorra konnte Österreich gegen ein Topteam nun auch spielerisch überzeugen. Von Beginn weg setzten die Gastgeber die Mannschaft von Roberto Mancini mit aggressivem Spiel unter Druck, erzwangen Ballgewinne und gingen in der Folge auch recht bald in Führung.

„Ich glaube schon, dass sie es nicht so gewohnt sind, wenn man aggressiv zu Werke geht. Das war schon ein Schlüssel zum Erfolg, weil Ballverluste passiert sind, und wir konnten super umschalten“, sagte Xaver Schlager, der Marco Verratti selbst den Ball abnahm und dann nach mustergültiger Vorarbeit von Marko Arnautovic verwertete.

Marco Verratti (Italien) zwischen mehreren ÖFB-Spielern
GEPA/Michael Meindl
Verratti war immer wieder das Ziel der heimischen Balleroberer

Vor allem Italiens Fädenzieher Verratti bekam immer wieder die Härte des Gegner zu spüren, etwa bei einem Baumgartner-Check. „Wenn du giftig und eklig bist, kannst du solchen Spielern die Lust am Fußball nehmen“, sagte der Hoffenheim-Legionär. Auch das Spiel mit dem Ball funktionierte. „Wir waren mutig, aggressiv, und hatten Stafetten, wie wir sie einstudiert haben“, sagte Alaba danach zufrieden.

„Wieder so ein ‚Alaboom‘-Freistoß“

Der ÖFB-Kapitän glänzte in seinem 98. Länderspiel nicht nur als Abwehrchef, sondern gab seiner Mannschaft mit seinem Freistoßtor Halt. Aus rund 25 Metern hämmerte der Real-Madrid-Legionär den Ball in die Maschen, sodass Stargoalie Gianluigi Donnarumma nur noch das Nachsehen hatte. „Ich habe den Ball ganz gut getroffen“, blieb Alaba nach seinem 15. ÖFB-Tor, dem ersten seit über drei Jahren – zuletzt beim 2:1 gegen Nordmazedonien 2019 – bescheiden.

Seine Mitspieler gerieten ins Schwärmen. „Das war wieder so ein ‚Alaboom‘-Freistoß. Wahnsinn, was er für eine Schusstechnik hat“, gab sich Baumgartner angetan und sprach Donnarumma („Es war ein unglaublicher Schuss“) frei. „Auch wenn er mitten auf das Tor geht, der Ball ist so hart, so schnell, flattert, den kann dann auch einer der besten Torhüter der Welt nicht halten.“

Wie vielen im Stadion kam auch Arnautovic ein Laut aus dem Hals: „Wenn keiner im Stadion gewesen wäre, hätte mich jeder gehört, so laut habe ich geschrien. Die Italiener haben mich sicher gehört, die haben das wohl auch nicht packen können.“

Nächster Schritt in einem Prozess

Noch weniger haben die Italiener wohl „gepackt“, wie chancenlos sie vor der Pause gewesen waren. Wenngleich ein taktisches Experiment bei den Gästen in die Hosen ging. „Wir hatten kein Pressing mit unseren Offensivspielern in Hälfte eins, das hat riesige Lücken offenbart und uns große Probleme bereitet“, so Mancini, der auf den Sinn von Testspielen verwies: „Nur da kann man etwas probieren.“

Letztlich muss das aber gegen so ein Kaliber, das immerhin nach dem WM-Aus die Nations-League-Gruppe vor England und Deutschland abgeschlossen hatte, auch ausgenützt werden. „Ich möchte das Spiel nicht überbewerten, aber es tut gut“, konstatierte Alaba. Vor allem, weil man sich dieses Mal auch die Butter nicht mehr vom Brot nehmen ließ. „Die Ansätze waren schon früher immer wieder da, wir haben aber dann den Kürzeren gezogen, heute nicht und das freut uns sehr.“

ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick
APA/Eva Manhart
Teamchef Ralf Rangnick applaudierte seiner Mannschaft

Auch Rangnick sprach den nächsten Schritt in diesem Prozess an. „Wir haben heute schon 70 Minuten Kontrolle gehabt, irgendwann wollen wir das über 90 Minuten schaffen“, erklärte der 64-jährige Deutsche, der Spaß am Spiel hatte. Diesen haben auch offenkundig die Spieler – Mannschaft und Betreuerteam sind in der vergangenen Woche im Trainingslager in Marbella wieder ein wenig zusammengewachsen. „Wir konnten eine Philosophie umsetzen, die uns auch in dieser Woche wieder vorgelebt und vorgezeigt wurde“, sagte Alaba, der sich seit Rangnicks Bestellung entschlossener denn je im ÖFB-Team präsentiert.

Hungrig ins Länderspieljahr 2023

Das liegt wohl auch an der Identität, die Rangnick der Mannschaft nicht nur spielerisch, sondern auch mental verpasst. „Ich glaube, dass wir in den Köpfen ein bisschen weiter sind“, sagte Alaba schon vor dem Spiel und gab Einblick in die neue Denkweise. „Mir gefällt es, eine Einstellung zu entwickeln wie einen Hunger, der sich sehr gut anfühlt.“

In diesem Prozess wartet 2023 eine klare Aufgabe: die Qualifikation für die EM 2024. In der Gruppe F trifft Österreich dabei auf Belgien und Schweden. „Wenn wir alle Mann an Bord haben und die Einstellung wie heute an den Tag legen, bin ich guter Dinge, dass wir uns trotz schwieriger Gegner für die EM qualifizieren werden“, meinte Rangnick. Ähnlich sehen es seine Spieler. „Wir sind dick dabei, wenn alle fit sind, Gas geben und wir einen guten Plan haben“, so Schlager. Arnautovic versprach: „Wenn wir weiter so arbeiten, können wir Großes erreichen. Noch sind wir nicht so weit, aber wir wollen da hin.“

Die nächsten Länderspiele stehen allerdings erst in mehr als vier Monaten auf dem Programm. Dann starten die Österreicher mit Heimspielen gegen Aserbaidschan (24. März) und Estland (27. März) – dem Vernehmen nach in Linz – in die EM-Qualifikation. Ab Jänner gibt es wieder regelmäßig Austausch. „Wir werden uns zu Videomeetings verabreden, die Spieler immer wieder besuchen, den Kontakt eng halten“, sagte Rangnick, der dann auf ausverkaufte Heimspiele hofft.

Fußballtestspiel

Sonntag:

Österreich – Italien 2:0 (2:0)

Wien, Ernst-Happel-Stadion, 18.000 Zuschauer, SR Dingert (GER)

Torfolge:
1:0 Schlager (6.).
2:0 Alaba (35./Freistoß)

Österreich: Lindner – Posch, Lienhart, Alaba, Wöber (71./Mwene) – Baumgartner (81./Grillitsch), X. Schlager, Seiwald, Sabitzer – Arnautovic (71./Gregoritsch), Adamu (81./Schmid)

Italien: Donnarumma – Gatti (46./Pessina), Bonucci, Acerbi – Di Lorenzo (46./Scalvini), Barella (90./Miretti), Verratti, Dimarco – Politano (46./Chiesa), Raspadori (71./Gnonto), Grifo (46./Zaniolo)

Gelbe Karten: Seiwald, Posch bzw. Chiesa